"The Many Saints of Newark"

Vorgeschichte der "Sopranos"-Serie als Film

05:55 Minuten
Filmszene mit Michael Gandolfini (links) und Alessandro Nivola in "The Many Saints of Newark".
Tony Soprano im Teenageralter wird von Michael Gandolfini gespielt - auch das könnte den Film zu einem Fest für "Sopranos"-Fans machen. © picture alliance / AP / Warner Brothers Pictures
Von Anna Wollner |
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Die US-Mafiaserie "Die Sopranos" hat von 1999 bis 2007 Maßstäbe gesetzt, nicht nur beim Storytelling. Der Film "The Many Saints of Newark" erzählt nun, was vor Serienbeginn passierte. Das sei nicht nur für Fans interessant, sagen die Macher.
Es ist erstmal ein geschickter Trick vom Verleih, den Film "The Many Saints of Newark" als Vorgeschichte der Serie "Die Sopranos" zu verkaufen. Sie lief von 1999 bis 2007 und hat das moderne Story-Telling etabliert, wie keine andere.
Tony Soprano, die titelgebende Hauptfigur der Serie, ambivalenter Mafiaboss, sympathisch und doch gnadenlos brutal, spielt nun im Film aus der Feder von "Sopranos"-Schöpfer David Chase nur die zweite Geige. Erzählt wird der Film aus dem Off und jenseits von Christopher, Sohn von Dickie Montesanti, der in der Serie 2007 von Tony erwürgt wurde.
Christopher hat seinen Vater nie kennengelernt, in der Serie taucht er nur in Erzählungen auf. Der Film erzählt jetzt Dickies Geschichte, vom klassischen Aufstieg eines Mobsters, der versucht in der Gangsterwelt mit seiner schonungslosen Brutalität schnell nach oben zu kommen und seinem Neffen Tony dabei das Gangsterleben schmackhaft zu machen.
Im Film tauchen für "Soprano"-Fans viele alte Bekannte auf. Ereignisse, die es in der Serie nur als Erinnerung gab, erwachen hier zum Leben. Es sei allerdings kein reiner Fanservice, so "Sopranos"-Regie-Veteran Alan Taylor. Die Gratwanderung, alte und neue Zuschauer gleichermaßen abzuholen, sei von vorneherein ein Ziel gewesen – und lange auch die Sorge des Verleihs Warner Brothers.
"Die einfachste Lösung war, mit Dicki Moltesanti eine Hauptfigur zu konzipieren, die vorher nie in der Serie aufgetaucht ist. Wir erzählen seine Lebensgeschichte mit Anfang, Mitte und Ende." Das hebe den Film von der Serie ab. "Aber wer die Serie kennt, der wird viele kleine Dinge entdecken. Und auch ohne Vorwissen funktioniert der Film als amerikanische Gangstergeschichte."

Ungeplante Aktualität

Dabei konzentriert sich die Geschichte auf einen historischen Stoff, spielt unter anderem 1967, mitten in den Rassenunruhen in Newark. Einer Zeit, in der afroamerikanische und italoamerikanische Gangsterbanden aneinandergerieten und sich Schusswechsel auf offener Straße lieferten. Einer Zeit, in der die "Black Power"-Bewegung auf dem Höhepunkt war und Polizeistationen belagerte.
"David Chase hat ganz bewusst eine Ära gewählt, die eben nicht nur von der italienischen Mafiakultur geprägt ist, sondern auch die afroamerikanische Gangsterwelt erzählt", sagt Alan Taylor. "Aus heutiger Sicht bekommt es noch mal einen ganz eigenen Dreh, weil der Film ungewollt eine Aktualität bekommen hat."
Pandemiebedingt musst der Dreh unterbrochen werden. "In unserer Pause fand der George-Floyd-Vorfall statt, ‚Black Lives Matter‘ ist erstarkt. Wir haben den Film in eine komplett andere Welt entlassen, als wir dachten."

Coup beim Casting

Der größte Coup ist David Chase und Alan Taylor allerdings im Casting gelungen. Der junge Tony Soprano im Teenageralter wird von Michael Gandolfini gespielt. Dem Sohn des verstorbenen Tony-Darstellers aus der Serie. Gandolfini Senior ist 2014 an einem Herzinfarkt gestorben, Gandolfini Junior im Premierenjahr der Serie geboren. Bis zum Rollenangebot hat er nie eine Folge der "Sopranos" gesehen und lange mit sich gehadert, die Rolle überhaupt anzunehmen.
"Am Anfang hatte ich große Bedenken, aber ich habe versucht, das Erbe meines Vaters abzustreifen", sagt Michael Gandolfini. "Es ging mir darum, die Rolle zu begreifen, seinen Akzent hinzubekommen, seine Bewegungen zu imitieren, seinen Blick, seine Kopfhaltung. Wir hatten eine ganz klare Arbeitsbeziehung. Er und ich."
Für ihn sei es irgendwann "ein ganz normaler Job" gewesen. "Die lange Vorbereitungszeit hat mir aber geholfen, den gewissen Abstand zu bekommen und die Figur einfach weiterzuentwickeln."
Michael Gandolfini schafft es nicht nur, seinen Vater perfekt zu imitieren, sondern er bringt auch eine gewisse Unschuld, Naivität und Zerbrechlichkeit in den Charakter. Trauerarbeit auf mehreren Ebenen, meint Regisseur Taylor.

Fest für "Sopranos"-Fans

Er sei ein bisschen besorgt gewesen, weil er Michael vorher noch nie Schauspielen gesehen habe. Und dann komme natürlich der emotionale Druck dazu. "Wir hatten kurz vor Beginn der Dreharbeiten ein Essen mit allen Beteiligten", erzählt Taylor. "Michael stand auf und wollte sich bei allen bedanken, dass er die Chance bekam, seinem Vater noch einmal so intensiv zu begegnen und sich von ihm gebührend verabschieden zu können. Da war mir klar, dass er die richtige Wahl war."
Die Besetzung von Gandolfini ist einer von vielen Nostalgie-Faktoren, die den Film zu einem Fest für "Sopranos"-Fans werden lassen. Für alle anderen ist "The Many Saints of Newark" ein gutgemachter, stylischer Mafia-Film im historischem Setting. "Sopranos"-Schöpfer David Chase überlegt, mit dem Filmuniversum in Serie zu gehen. Genügend Figuren ohne Biografie hat er noch.
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