"The United States vs. Billie Holiday"

Sachter Rausch

09:21 Minuten
Andra Day steht im schwarzen Kleid auf einer Bühne. Im Haar trägt sie eine weiße Blume, vor ihr steht ein Mikrofon.
Die Sängerin Andra Day spielt Billie Holiday im Lee Daniels-Film "The United States vs Billie Holiday". © imago / Paramount Pictures
Patrick Wellinski im Gespräch mit Susanne Burg |
Audio herunterladen
Billie Holiday, geniale Künstlerin und vom Schicksal gebeutelt, musste sich wegen eines Liedes mit dem FBI auseinandersetzen. Regisseur Lee Daniels widmet der Episode ein Biopic. Das Experiment gelingt nur teilweise, sagt Kritiker Patrick Wellinski.
Der Film "The United States vs. Billie Holiday" greift die Geschichte der Musikgröße und Ikone der Bürgerrechtsbewegung Billie Holiday auf. "Es geht um Billie Holiday und das FBI, es geht aber auch um ihre Musik, und ganz wichtig hier und zentral: Um ihre politische Haltung in dem sich langsam abzeichnenden Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den USA", ordnet Kritiker Patrick Wellinski die Stränge.

Golden Globe für die erste große Rolle

Hauptdarstellerin Andra Day ist bisher vor allem als Sängerin aufgetreten. Sie hat gleich mit dieser Rolle, ihrer ersten großen Filmrolle, den Golden Globe gewonnen, die 36-Jährige ist für den Oscar nominiert. Wellinski lobt, sie habe sich Holiday viel mehr angenähert, als es etwa Diana Ross getan habe, die in den 70er-Jahren in "Lady Sings The Blues" Holiday verkörpert habe.
Zentral in "The United States vs. Billie Holiday" ist ein Lied: "'Strange Fruit' ist in doppelter, fast schon dreifacher Hinsicht ein Leitmotiv des Films", meint Wellinski. Erstens gehe es ganz konkret um diesen Protestsong, der einen Lynchmord im Süden der USA beschreibe und dabei nichts beschönige; zweitens sei es in der Karriere von Billie Holiday wiederholt darum gegangen, ob sie das Lied singen dürfe – zwischen der Musikerin und dem FBI, zwischen ihr und ihrem Management. Sie habe "Strange Fruit" immer unbedingt singen wollen –, aber es sei ihr quasi verboten worden. "Als sie den Song dann singt auf der Bühne, haben die Behörden einen Grund, sie in die Mangel zu nehmen. "
Zudem sei der Song auch in gewisser Hinsicht eine Metapher auf das Leben der Billie Holiday 1947: Wenn der Film beginnt, ist Billie Holiday mit 32 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie sei hochgekommen aus brutalsten Verhältnissen, sei Opfer sexueller Gewalt durch unterschiedliche Männer geworden und habe mit weniger als 20 Jahren den ersten Plattenvertrag bekommen, so Wellinski.
"Aber mittlerweile ist sie auch auf dem Höhepunkt ihrer Drogenkarriere und abhängig von Heroin", macht Wellinski klar. Dieser Aspekt sei auch der Ursprung des Films, denn das Drehbuch stammt nicht aus einer Biografie, sondern aus einem Sachbuch über den Drogenkrieg der USA. In diesem Buch kam die Musikerin auch vor.

Teilweise gelungenes Film-Experiment

Der Film sei fast wie ein improvisierter Drogensong komponiert: "Momente gehen fließend ineinander über, wie ein sachter Rausch, es wird nichts aneinandergereiht, du bist in einem Strom der Zeit", sagt Wellinski. "Ich hatte den Eindruck eines Experiments, und ich würde sagen, es funktioniert, aber es funktioniert nur teilweise, weil Regisseur Lee Daniels so viele Bälle in die Luft wirft, so vieles auf einmal möchte, dass er am Ende auch nicht wirklich alles auffangen kann, trotz ganz großer Ambitionen."
Der Film wolle wohl mehr als ein Biopic sein, sei am Ende dabei aber vielleicht nicht konsequent genug. "Ich hatte eher den Eindruck, dass Lee Daniels sich gemeinsam mit seiner Drehbuchautorin nicht getraut hat, sich komplett vom Genre des Biopics zu lösen." Daniels und der Pulitzerpreis-Trägerin Suzan-Lori Parks habe wohl eine ganz atmosphärische Assoziationskette vorgeschwebt, vermutet Wellinski. Aber dann seien sie doch sehr amerikanisch unterwegs: "Sie wollen dann doch etwas erzählen und haben doch sehr viel nur vom klassischen Melodram in ihrem Plot."
(mfu)
Mehr zum Thema