Thea Mengeler: "Connect"

In den Fängen der Achtsamkeit

Das Cover des Buchs "Connect" von Thea Mengeler. Auf dem Cover ist der Titel des Buchs und der Name der Autorin.
© Leykam

Thea Mengeler

ConnectLeykam, Graz 2022

304 Seiten

24,00 Euro

Von Katharina Herrmann |
Eine junge Frau gerät in "Connect" von Thea Mengeler in die Fänge einer eingeschworenen Gemeinschaft. Mitglieder verachten das Internet, wollen bewusst leben. Doch dann kommt Kritik an der Sekte auf
Am Anfang steht die Katastrophe: Während eines Livestreams tanzen die Mitglieder der fiktiven Sekte „Connect“ um ihren Guru Dev, bis die ersten von ihnen leblos zusammenbrechen. Eine Szene, die an reale Ereignisse erinnert: etwa an den Massensuizid von 39 Mitgliedern der religiösen Gruppierung „Heaven’s Gate“ 1997 in Kalifornien. Genauso wie diese reale Tragödie wirft Thea Mengeler in ihrem Debütroman die Fragen auf: Wofür sterben diese Menschen? Was treibt sie in den Tod?

Ausgebrannte Designerin sucht Rettung

Die Krefelder Autorin erzählt von Ava, einer 28-jährigen Designerin einer Werbeagentur. Beruflich ist sie so erfolgreich, dass sie nahe am Burn-out steht. Sie erleidet Panikattacken und schafft es am Wochenende kaum, ein Sozialleben zu führen.
Da trifft sie auf eine Freundin aus Studienzeiten, Lina, mit der sie zum ersten Mal eine Gruppe besucht, die ihr ein anderes Leben anbietet: Die Menschen in dieser Gruppe sind achtsam, sie wollen offen, ehrlich und überlegt sein, auf übermäßigen Konsum und selbstzerstörerisches Karrierestreben verzichten, einen toxischen Umgang mit Social Media vermeiden. Sie meditieren zusammen, machen Körperarbeit und tanzen.

Zunehmen im Sog der Sekte

Ava schließt sich der Gruppe an. Sie verändert sich, löscht alle Apps von ihrem Handy, vernachlässigt zunehmend ihren Beruf und ihre Freunde. Ihr altes Leben, so meint sie, war ein ihr von der Gesellschaft aufgezwungener Fehler – ihr neues Leben ist die Gruppe „Connect“.
Schließlich bricht sie ganz mit diesem alten Leben und zieht auf das „Airfield“, eine Art Kommune der Sekte. Hier ist Ava glücklich, bis die Gruppe zunehmend in die Kritik gerät, da negative Berichte über „Connect“ öffentlich werden: Von Manipulation der Anhänger ist plötzlich die Rede, zudem stehen Vorwürfe im Raum, dass das Vermögen von „Connect“ durch Erpressung von Mitgliedern entstanden sei.

Zeitgeisttypisches Weltbild

Mengeler erfindet hier eine Sekte, die schon deswegen faszinierend ist, weil sie echt sein könnte. „Connect“ verbindet reale zeitgeisttypische Ideen zu einem umfassenden Weltbild: Kritik an Internet, Smartphones und Social Media gehört ebenso zur Ideologie von „Connect“ wie Veganismus, das Stehlen weggeworfener Lebensmittel aus Supermarktmülltonnen, Polyamorie, Achtsamkeit, Minimalismus, scheinbare Wissenschaftlichkeit, Religionskritik und ein vulgärer Buddhismus, dem gemäß alles irgendwie miteinander verbunden ist.
Weil das Weltbild dieser Sekte an so vielen Stellen unsere Gegenwart entlarvt, verzeiht man dem durchaus spannend geschriebenen Roman vereinzelte klischierte Vergleiche in der ansonsten eher schlichten sprachlichen Gestaltung.

Aus der Perspektive einer Überzeugten

Alle Ereignisse werden aus der Perspektive Avas erzählt. „Connect“ wird also nur aus dem Blickwinkel einer überzeugten Anhängerin dargestellt. Es wird dem Leser damit nicht leicht gemacht, die Gruppierung zu hinterfragen, denn alles, was die Sekte tut, wird positiv bewertet, gerechtfertigt, entschuldigt.
„Connect“ weist dabei paradoxerweise Parallelen zur Außenwelt auf, gegen die sich die Sekte eigentlich positioniert: Hier wie dort wird von Ava absolute Anpassung gefordert, hier wie dort scheint Ava manipulierbar und arbeitet bis zur körperlichen Erschöpfung.
Mengeler zwingt die Lesenden dazu, differenzierter nachzudenken. Was wirklich gut, was wirklich inhuman und schlecht ist, ist nicht eindeutig markiert. Am Ende muss man sich selbst die Frage stellen: Wie können wir heute miteinander leben, arbeiten und in Kontakt treten, ohne uns und die anderen dabei zu verlieren?

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