Theater des Jahres

"Bühnen brauchen den Wechsel"

Das Maxim Gorki Theater, aufgenommen am 29.10.2012 in Berlin.
Das Maxim Gorki Theater in Berlin © picture-alliance / dpa / Michael Kappeler
Franz Wille im Gespräch mit Dieter Kassel |
Das Berliner Maxim-Gorki-Theater und die Volksbühne in Berlin sind gleichberechtigt zum "Theater des Jahres" gewählt worden. Beide leisteten, jedes auf seine Art, künstlerisch "Außergewöhnliches", sagt "Theater heute"-Redakteur Franz Wille.
Das Berliner Maxim- Gorki-Theater und die Berliner Volksbühne sind gleichberechtigt von der Zeitschrift "Theater heute" zum "Theater des Jahres" gekürt worden. 43 Kritiker haben ihr Votum abgegeben.
Einer von ihnen ist der "Theater heute"-Redakteur Franz Wille. Er hat für das Maxim-Gorki-Theater votiert und erläutert warum:
"Weil es das Theater ist, das am frühesten wirklich konsequent mit seinem Spielplan mit seinem Ensemble mit seinen künstlerischen Mitarbeitern begriffen hat, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben."

Spätestens sei der Flüchtlingswelle könne dies – erfreulicherweise – nicht mehr übersehen werden. Intendantin Shermin Langhoff habe die Tatsache, dass in Deutschland rund 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten als erstes großes Theater in der Gestaltung ihres Spielplans aufgegriffen. Wille lobte in diesem Zusammenhang auch Langhoffs "langen Atem", da sie dieses außergewöhnliche Konzept sehr erfolgreich bereits drei Spielzeiten lange verfolge und nun damit in die vierte gehe.
Ein Tiger ist am 22.06.2016 in Berlin vor dem Maxim Gorki Theater im Tigergehege mit der Aufschrift "Flüchtlinge Fressen" zu sehen. Das Theater arbeitet mit der für Provokationen bekannten Künstlergruppe "Zentrum für politische Schönheit" zusammen.
Provokation: Das Berliner Maxim-Gorki-Theater beherbergte im Juni 2016 die Aktion "Flüchtlinge Fressen" des Zentrums für Politische Schönheit.© picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Scheinwerfern erleuchtet ist die Fassade des Theaters Die Volksbühne in Berlin
Die Volkbühne in Berlin© Picture Alliance / dpa / Manfred Krause
Die Frank Castorffs Berliner Volksbühne wiederum werde für 25 Jahre "eines oft sehr tollen Werkes von Frank Castorff" geehrt. Nach seiner Meinung zum Wechsel an der Spitze der Volksbühne gefragt, sagte Wille, er sehe das mit großer Gelassenheit und glaube nicht an die düsteren Prognosen, aus der Volksbühne werde mit dem Antritt des neuen Intendanten Chris Dercon "eine gemischte Eventbude". Wille betonte:
"Theater brauchen den Wechsel, um lebendig zu bleiben."
Die Tatsache, dass Castorff das Amt des Intendanten abgebe, bedeute außerdem nicht, dass er man ihn nicht anderenorts weiterhin als Regisseur erleben werde.
Frank Castorf, Intendant der Volksbühne in Berlin
Frank Castorf, Intendant der Volksbühne in Berlin© dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Wille nahm die deutschen Theater insgesamt gegen den Vorwurf in Schutz, künstlerisch nicht auf das Flüchtlingsthema und Angela Merkel "Das schaffen wir" reagiert zu haben.
"Das System ist am 5. September 2015 auf dem falschen Fuß erwischt worden. Die Spielzeit war geplant, die Sachen sind angelaufen, es gibt Vorbereitungen.... Und da ist ein einschneidendes Ereignis zeitgenössischer Realität eingebrochen, und es war sehr, sehr schwer, für diese Theater, darauf zu reagieren."
Am Willen, darauf zu reagieren, habe es sicherlich nicht gefehlt.

Die Zeitschrift "Theater heute" kürt jedes Jahr ein (oder auch mehrere) Theater zum "Theater des Jahres". Weitere Ehrungen:

"Schauspieler des Jahres" ist Edgar Selge, ausgezeichnet für seine Darstellung in "Unterwerfung" nach dem Roman von Michel Houellebecq im Hamburger Schauspielhaus

"Nachwuchsschauspieler des Jahres" ist Marcel Kohler, der Arkadij in Daniela Löffners Turgenjew-Inszenierung «Väter und Söhne» am Deutschen Theater in Berlin

"Bühnenbildner des Jahres" ist Bert Neumann, der bereits 2015 verstorbene langjährigen Chef-Bühnenbildner der Berliner Volksbühne.

Mehr Infos dazu: www.kultiversum.de/Theaterheute/Die-Auswertung-Die-groesste-Ehre.html

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