Theater für eine Region am Rande der Armut
Über die Weltwirtschaftskrise der 1930er hat Hans Fallada das Stück "Kleiner Mann, was nun?" geschrieben. David Bösch inszeniert dieses nun ausgerechnet im Ruhrgebiet, wo ohnehin viele Menschen am Rande der Armut leben. Doch das Stück ist ihm so gut gelungen, dass es fast wieder Mut macht.
Die Zahl der Arbeitslosen sinkt zwar bundesweit. Doch immer mehr Menschen können von ihren Niedriglöhnen nicht mehr leben. Und im Ruhrgebiet existieren so viele Menschen unterhalb der Armutsgrenze, dass mancher Experte schon soziale Unruhen befürchtet. Da wirkt Hans Falladas Roman "Kleiner Mann, was nun?" aus der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er-Jahre fast wie eine Mutmachgeschichte.
Denn hier geht es um Menschen, die an den Rand der Verzweiflung geraten, aber am Ende der Geldnot und der gesellschaftlichen Ächtung trotzen. Pinneberg und Emma, genannt Lämmche, finden Hoffnung in sich selbst und in ihrem Kind, dem Murkel. Ihre Überlebensvision lautet: Irgendwie geht es schon weiter.
Vor 40 Jahren hat Peter Zadek seine Bochumer Intendanz mit einer Bearbeitung dieses Romans eröffnet. Damals war so eine Adaption eine Seltenheit, ebenso die von Zadek gewählte Form einer Revue mit Schlagern und Tanznummern im Stil der zu Ende gehenden Weimarer Republik. In München feiert heute die fast fünfstündige Version von Luk Perceval Erfolge, eine liebevolles, opulentes Fest der Schauspieler.
David Bösch braucht nun am Bochumer Schauspielhaus gerade einmal die Hälfte der Spielzeit. Er konzentriert sich ganz auf das junge Paar, auf Pinneberg und Lämmchen, lässt die beiden Finanzpläne aufstellen und Strategien entwickeln, um das Leben zu bewältigen. Sonst sind nur zwei weitere Schauspieler auf der Bühne, die alle anderen Rollen verkörpern.
Das führt zu mancher Verkürzung. Pinnebergs Mutter bekommt durch die überwältigende Verzweiflungsexplosion Henriette Thimigs noch tragisches Format. Doch ihr Liebhaber, ein Krimineller mit weichem Herz, bleibt eine Randfigur. Der in München von André Jung wunderbar gespielte Verkäufer Heilbutt tritt in Bochum gar nicht auf.
So liegt die ganze Last des Abends auf den Schultern der beiden Hauptdarsteller. Raiko Küster und Maja Beckmann spielen ehrlich, glaubwürdig, ganz aus der Situation heraus. Niemals schrauben sie emotionale Momente virtuos in die Höhe, wie es Paul Herwig und Annette Paulmann in München taten. Die Bochumer bleiben ganz bei sich.
Maja Beckmann entwickelt als Lämmchen eine gewaltige innere Kraft. Sie ist völlig klar in ihren Zielen und Werten, ein graziler Fels in schwerer Brandung. Während Raiko Küster überzeugend einen Mann verkörpert, der seine Grenzen kennt und weiß, dass er keine besonderen Talente hat. Pinneberg zerbricht fast an seinen Selbstzweifeln, muss lernen, sich zu akzeptieren, um auch Lämmchen und das Kind wieder lieben zu können.
Eine riesige Kugel aus Lampen, Plastikstühlen und anderem Kram beherrscht die Bühne. Wenn das Paar einen Moment der Zuneigung erlebt, leuchtet dieser Schrottglobus auf und taucht die Szene in eine märchenhafte Atmosphäre. Die Spielfläche erinnert an eine Mischung aus Kraterlandschaft und Müllhalde. Ohne ihre Rollen zu verlassen wechseln die Schauspieler zwischen Dialogen und Prosatexten, was dem Abend bei aller thematischen Schwere große Leichtigkeit gibt. Manche Gags, wenn es um die bösen Unterdrücker geht, wirken aufgesetzt und überflüssig.
Die Qualität der Aufführung liegt in der Ruhe und Ernsthaftigkeit, der mitfühlenden Wärme. Der Kitschgefahr entgeht Bösch, indem er manche Texte, in denen Fallada etwas dick aufträgt, streicht und durch melancholische Rockballaden ersetzt, die sein Theatermusiker Karsten Riedel komponiert hat.
In den Kammerspielen wäre diese konzentrierte Aufführung wahrscheinlich besser aufgehoben. Doch ihre Herzlichkeit, der Glaube an die Familie als Lebensentwurf jenseits der allgemeinen Ökonomisierung füllt auch die große Bühne. Es ist der typische Bösch-Touch, der berührt und aus Falladas Roman Theater für eine Region am Rande der Armut entstehen lässt.
Denn hier geht es um Menschen, die an den Rand der Verzweiflung geraten, aber am Ende der Geldnot und der gesellschaftlichen Ächtung trotzen. Pinneberg und Emma, genannt Lämmche, finden Hoffnung in sich selbst und in ihrem Kind, dem Murkel. Ihre Überlebensvision lautet: Irgendwie geht es schon weiter.
Vor 40 Jahren hat Peter Zadek seine Bochumer Intendanz mit einer Bearbeitung dieses Romans eröffnet. Damals war so eine Adaption eine Seltenheit, ebenso die von Zadek gewählte Form einer Revue mit Schlagern und Tanznummern im Stil der zu Ende gehenden Weimarer Republik. In München feiert heute die fast fünfstündige Version von Luk Perceval Erfolge, eine liebevolles, opulentes Fest der Schauspieler.
David Bösch braucht nun am Bochumer Schauspielhaus gerade einmal die Hälfte der Spielzeit. Er konzentriert sich ganz auf das junge Paar, auf Pinneberg und Lämmchen, lässt die beiden Finanzpläne aufstellen und Strategien entwickeln, um das Leben zu bewältigen. Sonst sind nur zwei weitere Schauspieler auf der Bühne, die alle anderen Rollen verkörpern.
Das führt zu mancher Verkürzung. Pinnebergs Mutter bekommt durch die überwältigende Verzweiflungsexplosion Henriette Thimigs noch tragisches Format. Doch ihr Liebhaber, ein Krimineller mit weichem Herz, bleibt eine Randfigur. Der in München von André Jung wunderbar gespielte Verkäufer Heilbutt tritt in Bochum gar nicht auf.
So liegt die ganze Last des Abends auf den Schultern der beiden Hauptdarsteller. Raiko Küster und Maja Beckmann spielen ehrlich, glaubwürdig, ganz aus der Situation heraus. Niemals schrauben sie emotionale Momente virtuos in die Höhe, wie es Paul Herwig und Annette Paulmann in München taten. Die Bochumer bleiben ganz bei sich.
Maja Beckmann entwickelt als Lämmchen eine gewaltige innere Kraft. Sie ist völlig klar in ihren Zielen und Werten, ein graziler Fels in schwerer Brandung. Während Raiko Küster überzeugend einen Mann verkörpert, der seine Grenzen kennt und weiß, dass er keine besonderen Talente hat. Pinneberg zerbricht fast an seinen Selbstzweifeln, muss lernen, sich zu akzeptieren, um auch Lämmchen und das Kind wieder lieben zu können.
Eine riesige Kugel aus Lampen, Plastikstühlen und anderem Kram beherrscht die Bühne. Wenn das Paar einen Moment der Zuneigung erlebt, leuchtet dieser Schrottglobus auf und taucht die Szene in eine märchenhafte Atmosphäre. Die Spielfläche erinnert an eine Mischung aus Kraterlandschaft und Müllhalde. Ohne ihre Rollen zu verlassen wechseln die Schauspieler zwischen Dialogen und Prosatexten, was dem Abend bei aller thematischen Schwere große Leichtigkeit gibt. Manche Gags, wenn es um die bösen Unterdrücker geht, wirken aufgesetzt und überflüssig.
Die Qualität der Aufführung liegt in der Ruhe und Ernsthaftigkeit, der mitfühlenden Wärme. Der Kitschgefahr entgeht Bösch, indem er manche Texte, in denen Fallada etwas dick aufträgt, streicht und durch melancholische Rockballaden ersetzt, die sein Theatermusiker Karsten Riedel komponiert hat.
In den Kammerspielen wäre diese konzentrierte Aufführung wahrscheinlich besser aufgehoben. Doch ihre Herzlichkeit, der Glaube an die Familie als Lebensentwurf jenseits der allgemeinen Ökonomisierung füllt auch die große Bühne. Es ist der typische Bösch-Touch, der berührt und aus Falladas Roman Theater für eine Region am Rande der Armut entstehen lässt.