Theater Hagen

9-Euro-Flatrate für Bühnen

05:15 Minuten
Der imposante Saal mit Sitzreihen und Bühne im Theater Hagen.
Beste Aussicht für 9 Euro. © Theaterhagen
Von Stefan Keim · 01.10.2022
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Auch die Bühnen stecken in der Krise. Da überrascht das Theater Hagen mit einer Idee. Von Oktober bis Dezember gibt es Monatstickets zum Preis von 9 Euro. Dafür kann das Publikum fast alle Vorstellungen besuchen. Ein Marketingcoup?
Das Theater Hagen steckt noch tiefer im Schlamassel als viele anderen Bühnen. Schon vor der Pandemie hatte die Oper große Probleme, das Publikum wird immer älter und weniger. Marketingchefin Mareike Hujo will das ändern. Nun soll das 9-Euro-Ticket die Jugend ins Theater locken.
„Unser Publikum ist verhältnismäßig alt. Wir möchten jetzt den jungen Menschen zeigen, dass Oper immer aktuell ist und es spannend ist, auch in eine ganz andere Welt abdriften zu können und drei Stunden Oper auch ein wahnsinnig tolles Erlebnis für junge Menschen sein können.“

Rechnen mit Gewinn

Zu Open-Air-Konzerten bei freiem Eintritt kamen 4000 Menschen. Auch im Spielplan hat sich einiges getan. Neben Verdi und einer Offenbach-Operette gibt es die Rockshow „Heroes“ und das Monty-Python-Musical „Spamalot“. Wer das sehen will, muss nun einfach an der Abendkasse sein 9-Euro-Ticket zeigen oder kann sogar vorher einen Platz reservieren.
Davon ausgenommen sind nur das Weihnachtsmärchen und ein paar Gastspiele. Abonnenten haben alle drei Monatstickets umsonst zugeschickt bekommen und können Freunde und Verwandte zum Theaterbesuch einladen. Extrageld von der Stadt gibt es für diese Aktion nicht. Das Theater stemmt sie aus eigenen Mitteln.
Geschäftsführer Thomas Brauers rechnet vor, dass die Aktion gar nicht so teuer werden könnte. Denn die Einnahmen aus den Abos bleiben erhalten und das Weihnachtsstück ist ausgenommen. „Wenn man genau hinsieht, bleiben die Tages- und die Einzeltickets. Wenn es uns gelingt, vielleicht vier oder fünfmal so viele 9-Euro-Tickets zu verkaufen, dann kann es sein, dass wir mit einem Gewinn rausgehen. Wenn überhaupt ist es ein sehr überschaubarer, geringer Verlust.“

Hoffen auf volle Häuser

Es läuft gut an, in den ersten Tagen haben sich schon mehr als 600 Menschen die Plastikkarte zum Schnäppchenpreis besorgt. Beim 9-Euro-Ticket in den öffentlichen Verkehrsmitteln wird nach dem Erfolg im Sommer über ein Nachfolgemodell diskutiert. Das schließt Thomas Brauers allerdings aus.
„Zunächst einmal ist unsere Hoffnung, dass in einer möglichst nicht ganz so fernen Zukunft die Häuser auch wieder voll sind. Dann werden wir mit einem normalen Ticketverkauf natürlich erheblich mehr Eintrittsgelder generieren als mit einem 9-Euro-Ticket. Zum anderen funktioniert das nur in einer echten Krisensituation, wie wir sie jetzt haben. Wo der Einzelticketverkauf einfach noch nicht rund läuft.“

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Für das Marketing ist das Monatsticket auch ein spannendes Experiment. Denn man sieht, was die Hagenerinnen und Hagener sich anschauen wollen, wenn der Preis keine Rolle spielt. Ob nun alle in die Musicals und Shows stürmen oder ob die Oper doch noch eine Chance hat.
Setzt das Theater Hagen damit einen Trend? Einzelne Tage, in denen die Karten zu ermäßigten Einheitspreisen verkauft werden, gibt es in vielen Theatern. Fast alle haben mit furchtbar schlechten Buchungen zu kämpfen. Sogar in der vor dem Sommer noch so gut besuchten Oper Köln will gerade kaum jemand die extrem aufwendige Oper „Le Troyens“ von Berlioz sehen. Wie lange können die Theater ihre Relevanz behaupten, wenn niemand hingeht?

"Absolute Wettbewerbsverzerrung"?

Andererseits könnte es gefährlich sein, das Publikum daran zu gewöhnen, dass Kultur nichts kostet. Hier kommen auch die freien Anbieter ins Spiel, die schon unter der Pandemie viel mehr zu leiden hatten.
„Die Aktion des Theaters Hagen stellt eine absolute Wettbewerbsverzerrung", sagt Meinhard Zanger, Intendant des Wolfgang- Borchert-Theaters in Münster. "Da 85 Prozent des Etats durch die öffentliche Hand getragen werden, kann sich das Theater Hagen das 9-Euro-Ticket offenbar leisten. Was ist mit den Theatern, die viel weniger oder gar nicht gefördert werden, die auf Eigeneinnahmen durch Ticketverkauf angewiesen sind?“

Junge Menschen an Kultur heranführen

Wenn das Beispiel Schule macht, bräuchte es eine flächendeckende Extraförderung der freien Kultur. Sonst könnte der während der Lockdowns erfolgreich vermiedene Kahlschlag doch noch passieren. Hagens Geschäftsführer Thomas Brauers gibt zu:
„Im Moment ist es vielleicht wirklich so, dass wir mit dem 9-Euro-Ticket-Angebot viel Platz einnehmen. Aber dieses Angebot soll das Interesse von jungen Menschen für Kultur generell wecken - ob das jetzt in ein Stadttheaterinteresse oder in eine freie Kulturszene mündet oder wie auch immer. Wichtig ist in meinen Augen, dass junge Menschen überhaupt an die Kultur herangeführt werden. Das soll als ein Beitrag dazu dienen.“
Er verweist darauf, dass das Theater Hagen mit den örtlichen Kulturzentren wie der Pelmkeschule eng zusammenarbeitet und auch gemeinsam einen Poetry-Slam anbietet. Im Rahmen des 9-Euro-Tickets.
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