Überall Neustarts
Neue Besen sollen gut kehren, aber gerade in der ersten Saison einer neuen Theater-Intendanz lauern besonders viele Risiken und Nebenwirkungen. Einige dieser Bewährungsproben gehen in diesen Tagen zu Ende: in Köln und Bonn, Hamburg und Berlin, Weimar und Chemnitz, Leipzig und Stuttgart.
Wetten werden noch angenommen. Doch wer zum Beispiel auf das Berliner Maxim-Gorki-Theater wettet als "Theater des Jahres", kann leider nur mit knappen Quoten rechnen – das Vielvölker-Theater der Hausherrin Shermin Langhoff, vielsprachig durchsetzt mit allen Nationalitäten am Multikulti-Standort Berlin, hat zumindest massiv Aufmerksamkeit erregt; nicht notwendigerweise mit herausragenden Inszenierungen, aber durch den neuen Ton, das gründlich renovierte Image eines Stadttheaters. Dabei gäbe es auf künstlerischer Ebene wirklich noch viel zu tun. Denn die blieb fürs Erste zurück hinter der Struktur-Reform.
Dennoch – die Fachblätter mit den Hitparaden, "Die Deutsche Bühne" schon im August und "Theater heute" im Oktober, werden am kleinsten und wieder mal besonders kreglen Stadttheater der Hauptstadt kaum vorbei kommen. Dabei war und ist die Auswahl groß – unter Intendanz-Novizen, die es sehr schwer, und anderen, die es eher leicht hatten.
Hamburger Start bei unter null
Karin Beier konnte das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg quasi bei null, eher noch bei unter null starten – nach langem Niedergang war das Haus keine Top-Adresse mehr. In die Eröffnung aber krachten die Zuggewichte des Eisernen Vorhangs, das Theater verlor drei wichtige Premieren-Monate – und kam auch danach nicht wirklich in Schwung. Was mittel- und langfristig von der zuvor in Köln umschwärmten Theatermacherin zu erwarten ist, weiß Hamburg eigentlich immer noch nicht.
Beiers Erbe in Köln wog schwer – und Stefan Bachmann, der Neue hier, musste renovierungsbedingt auch noch in Industriehallen starten. Nach ganz schwachem Auftakt haben sich Haus und Ensemble bei ihm zwar merklich berappelt – aber eine glanzvolle erste Saison hätte auch hier anders ausgesehen.
Nebenan in Bonn ist das Team um den Intendanten Bernhard Helmich, aus Chemnitz zugewandert (wo Christoph Dittrich die Leitung übernahm), noch nicht wirklich in die überregionale Wahrnehmung vorgedrungen – vielleicht auch, weil zu viele Talente im Spiel sind, die auch andernorts schon nicht wirklich überzeugt haben. Anders liegt der Fall in Weimar – hier hat der neue Chef Hasko Weber nach den acht Abenteuerjahren in Stuttgart, also im Westen, die neue Heimat im alten Osten gefunden und arbeitet konzentriert an der Renovierung der Marke Weimar.
Streitereien in Leipzig
Enrico Lübbe, Nachfolger für Sebastian Hartmann am Leipziger Schauspiel, verstrickte sich derweil zu lange in Streitereien um finanzielle Hinterlassenschaften des künstlerisch extrem profilierten und risikofreudigen Vorgängers. Viele kleine Uraufführungen möbeln Lübbes Bilanz zwar auf – der Standard auf der Großen Bühne aber blieb kaum mehr als Mittelmaß.
Einziger echter Konkurrent fürs Maxim-Gorki-Theater ist nur der Ex-Chef ebenda – Armin Petras hat den Auftakt in Stuttgart mit der bekannte Methode bewältigt: mit andauernder Überforderung. Kaum je sind Ensemble und Technik in der ersten Stuttgarter Petras-Saison zum Durchatmen gekommen vor lauter Premieren und Übernahmen aus Berlin. Und das Publikum, eines der aufmerksamsten und mutigsten in Deutschland, spielt mit. So kann's weiter gehen.