Tiraden voller Liebe und Wut
In "Holzfällen" macht der polnische Regisseurs Krystian Lupa deutlich, wie mehrdeutig und ambivalent die Hassgefühle des Ich-Erzählers gegenüber Österreich in Bernhards Vorlage sind. Einst ein Skandal, mischt Lupa in seiner Adaption mystische, surreale und komische Momente.
Für den polnischen Theater-Regisseur Krystian Lupa waren schon immer die Erzählungen und Romane des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhards gewichtiger, ja theatralischer als dessen Theaterstücke. Mit der Adaption der Romane "Kalkwerk" und "Die Auslöschung" (2001) hatte Lupas Theater 1992 bzw 2001 seine größten internationalen Gastspielerfolge.
Nun kann er an "Holzfällen. Eine Erregung" besonders gut demonstrieren, wie sein theatralisches Verfahren Thomas Bernhards Text vertieft, wie Theater dem Buch überlegen ist. Als Erzählung wurde "Holzfällen" bei seinem Erscheinen nur auf der Oberfläche, als Skandalon, wahrgenommen. Der Ich-Erzähler ergeht sich darin in Österreich-Beschimpfungen und beleidigt verschlüsselte, aber unschwer zu erkennende Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. Das führte 1984 so weit, dass im "Holzfällen-Skandal" schließlich - für einige Zeit - das Buch in Österreich beschlagnahmt und der Vertrieb juristisch verboten wurde.
Als Theaterstück vorgeführt, wird jedoch deutlich, wie mehrdeutig und ambivalent die Hassgefühle des Ich-Erzählers (im Theaterstück "Thomas" genannt) sind, wie sich Liebe und Wut mischen, schon allein deshalb, weil die Figuren, denen die Beschimpfungen gelten, auf der Bühne präsent sind und keinesfalls nur als Karikaturen erscheinen. "Holzfällen" wird auf diese Weise der vierte Teil von Thomas Bernhards Autobiografie-Werk, eine Konfrontation von "Thomas" mit seiner eigenen Jugend und seinem Wunsch in den 60er-Jahren nach einem "künstlerischen Leben''.
Im Roman sitzt der Ich-Erzähler - in den 80er-Jahren - in einem Ohrensessel und beobachtet die Gesellschaft. Er war zu einem "künstlerischen Abendessen" von Künstlerfreunden aus früheren Zeiten eingeladen wurde, nachdem man zuvor zu einem Begräbnis einer gemeinsamen Freundin, die Selbstmord begangen hatte, gegangen war.
In Lupas magisch-realistischem Theater ist die Gesellschaft nun nicht nur als "Erregung" präsent, sondern - komödiantisch-realistisch - zunächst hinter einer Glasscheibe zu sehen, realistisch-visionär gleichzeitig. In "Filmen" werden darüber hinaus Erinnerungen, etwa an das Begräbnis am Vormittag, eingeblendet. Die jungen Gäste des Abendessens scheinen wiederum wie Doppelgänger des jugendlichen Thomas. Immer wieder erscheint auch - einmal nur durchschimmernd durch ein Fenster - die Figur der Selbstmörderin (Verena Lercher).
Altmeisterlicher Regiestil und trotzdem frisch
Lupas Inszenierungen sind Kompositionen: unterlegt mit Musikfetzen und Straßengeräuschen und einer genauen Mischung der Stimmen der Personen. Wenn auf der Drehbühne nicht so viel zu sehen wäre, könnte man Lupas Bearbeitung bereits als Hörspiel-Komposition konsumieren. Dass der Abend mit vier Stunden sich auch - für sehr viele im Publikum - bisweilen zieht, zugegeben! Die Länge ist aber durchaus auch dem Stück "Holzfällen" angemessen: Schließlich muss man ja auch in der Erzählung lange, mit dem Schlaf kämpfend, auf den Ehrengast des "künstlerischen Abendessens", den Burgschauspieler warten.
Lupas Regiestil mag inzwischen schon etwas altmeisterlich und aus der Mode gekommen wirken, seine Mischung mystischer, surrealer und komisch-realistischer Momente wirkt weiterhin frisch und lustvoll, auch in seinen theologischen Präfigurationen, wenn das Abendessen wie das "Letztes Abendmahl" von Christi Jüngern wirkt, bei dem Thomas Bernhard seinen künstlerischen Jugendfreunden den Judaskuss gibt. Manchmal denkt man an Filme Luis Buñuels.
Das komödiantische Grazer Schauspielensemble (etwas Steffi Krautz als Maja Auersberg) erweist sich in Lupas Arbeit dabei als besonderer Glücksfall, die Musikalität von Bernhards Tiraden wird präzise zur Geltung gebracht, allen voran der Walter-Reyer-Burgschauspieler (Stefan Suske) und bravourös in einer Riesenrolle der "Mann im Ohrensessel" (Johannes Silberschneier).