Fridays for Future kommen auf die Bühne
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Der Klimawandel ist öfter Thema auf deutschsprachigen Bühnen. 2008 etwa bei einer Inszenierung von Rainald Grebe oder 2014 bei "Klimakonferenz" von Rimini Protokoll. Die monatelangen Schulstreiks aber inspirieren die Theatermacher besonders.
Der Klimawandel – er beginnt direkt vor der Haustür. Im Süden von Leipzig beispielsweise, wo der Braunkohletagebau riesige Löcher in die Landschaft gefressen hat. Eine Seenlandschaft ist daraus entstanden und man kann sich nun in der Klimawandel-Hitze genau dort erfrischen, wo der Klimawandel eine seiner vielen Ursachen hat.
Das Schauspiel Leipzig nimmt seine räumliche Nähe zum Tagebau zum Anlass, sich in der nächsten Spielzeit in gleich drei Projekten mit Kohle und Bergbau zu beschäftigen.
Bezüge zu dem, was wir hier erleben
Zum einen setzten sich Daniel Kötter, Sarah Israel und Elisa Limberg mit dem Abbau von Gold, Kohle, Wasser, Coltan und Öl auseinander, erzählt Thomas Frank, Leiter der Performance-Spielstätte "Residenz": "Da interessiert uns zu schauen, was bedeutet aktiver Bergbau im großen Stil, was sind die großen ökologischen Fragen, die daran hängen und wie sehen die aus und wie kann man das in Bezug setzen zu dem, was wir hier erleben – in einem Klima, in dem Tagebau in der Abwicklung begriffen ist."
Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger schauen zudem mit einem Dokumentartheater-Abend auf "Hundert Jahre Kohle". Und Jule Flierl und Mars Dietz nehmen die Wismut in den Blick – jenes Unternehmen, das im Erzgebirge Uran abbaute. Die Künstler thematisieren dabei auch die DDR-Umweltbewegung, sagt Thomas Frank.
"Und da finden wir natürlich in der Fridays for Future-Bewegung einen sehr, sehr großen Resonanzraum. Das ist natürlich auch interessant, sich hier eine jüngere Geschichte anzuschauen."
In Zürich ist Greta Thunberg Thema auf der Bühne
Apropos Fridays for Future: Die Regisseurin Suna Gürler schickt in Zürich Greta Thunberg als Protagonistin eines Klassenzimmerstücks zurück in die Schule. Und bei den Münchner Kammerspielen ist man sich sicher: "These Teens Will Save The Future" – "Diese Jugendlichen werden die Zukunft retten". Unter diesem Titel verarbeitet die Regisseurin Verena Regensburger die Schulstreiks.
Auch Regisseur Volker Lösch ist von den protestierenden Schülern begeistert: "Das ist großartig und eine große Verpflichtung für uns alle." Am Düsseldorfer Schauspielhaus entwickelt Lösch in der nächsten Spielzeit die Inszenierung "Volksfeind for Future" und verschränkt Henrik Ibsens Klassiker "Ein Volksfeind" mit der Fridays-for-Future-Bewegung.
Lösch interessiert daran, dass sich heute zwei Lager gegenüberstehen: Eines, das schnelles Handeln fordert, und jenes, das auf später vertröstet: "Das ist bei Ibsen ähnlich. Da geht es eben darum, dass ein Umweltskandal kleingemacht werden soll oder in Stücken behandelt werden soll, während die andere Seite fordert, es muss ein radikaler Einschnitt erfolgen und es muss sofort etwas passieren und es darf nicht langfristig behandelt werden und es darf auch nicht vertuscht werden, sondern es muss ernst genommen werden." Volker Lösch und sein Team schreiben das Stück gemeinsam mit den Klimaaktivisten – das Meiste ist inhaltlich noch offen.
In Bamberg entsteht eine Klimatrilogie
Am ETA-Hoffmann-Theater in Bamberg steht zumindest der Text schon fest, mit dem man in der nächsten Spielzeit die Klimakrise verhandeln will: Die Klimatrilogie. Die drei Stücke von Thomas Köck namens "paradies fluten", "paradies hungern" und "paradies spielen" wurden bereits anderswo uraufgeführt. In Bamberg werden die drei Teile nun erstmals zusammen gezeigt.
Remsi Al Khalisi, Chefdramaturg des ETA-Hoffmann-Theaters sagt: "Es ist ein Werk, das davon ausgeht, dass die Klimakatastrophe kommen wird. Vor allem ist das ein Werk, das davon ausgeht, dass der Klimawandel ursächlich mit unserem Wirtschaftssystem was zu tun hat, dass das kapitalistische Wirtschaften tatsächlich ursächlich und engstens verknüpft ist mit den Auswirkungen auf unser Klima."
Auch in Bamberg kündigen derzeit Kreideschriften auf den Straßen die nächste Fridays-for-Future-Demonstration an. Trotz der großen Aktualität soll die Klimatrilogie aber nicht tagespolitisch daherkommen. "Das Theater ist ja auch keine Tagesschau – das ist ja etwas, wo man versucht, mit künstlerischen Mitteln in tiefere Denkräume und hoffentlich auch tiefere Schichten, tiefere Sedimente – Sediment ist ein Wort bei Thomas Köck, was immer wieder auftaucht."
Was in der Klimatrilogie eigentlich vor sich geht, ist schwer zu sagen. Thomas Köcks Stücke sind überbordende Wellen aus Sprache, Motiven, Bildern. Und: Eine Überforderung, so Remsi Al Khalisi. Mit der Klimakrise geht es dem Theater also wie uns allen.