Warum brauchen wir noch gedruckte Spielzeithefte?
09:33 Minuten
Dünne Hefte, dicke Bücher: Hunderte Theater informieren über die neue Spielzeit mit gedrucktem Material. Ist das noch zeitgemäß? Ja, meint Knut Weber, Intendant in Ingolstadt. Und erzählt von einem Aufschrei des Publikums an einem anderen Theater.
Die neuen Spielzeithefte der Theater sind gedruckt: Zarte Hefte, dicke Bücher, Druckerzeugnisse, mit denen hunderte Stadt –und Staatstheater auf sich aufmerksam machen wollen: "Schaut her – wir haben Tolles vor!" und: "Das sind wir!" Aufwendige Fotostrecken von den Mitarbeitern des Hauses sind längst Alltag und auch grafisch wird nichts ausgelassen: von knallbunt über diskretes Schwarz-Weiß bis Hochglanzgoldprägedruck ist alles dabei.
Nur - fragt sich, wer liest denn all diese Hefte und Bücher? Und: sind solche Produkte, deren Halbwertzeit mit einer Saison doch recht kurz ist, überhaupt noch zeitgemäß? Knut Weber leitet seit 2011 das Stadttheater Ingolstadt. Für ihn ist die wichtigste Aufgabe des Spielzeitheftes: "Die Information über die Stücke, das Programm, was das Theater vor hat; die Mitarbeiterinnen und das Ensemble vorzustellen - und einen Eindruck zu geben vom Selbstverständnis der Theatermacher."
Riesen-Aufschrei in Nürnberg
Aber wozu analog – wo alle Informationen doch längst und aktueller digital verbreitet werden können? Weil, so Weber, eben nicht alle Theaterliebhaber Digital Natives sind und gern in Ruhe und mit Freude an der Haptik in gedruckten Büchern oder Heften blättern: "Das Staatstheater Nürnberg hat in der vergangenen Spielzeit den Versuch gemacht, ganz auf analoge Informations- und Werbematerialien zu verzichten. Es gab einen Riesen-Aufschrei in der Stadt – mit dem Ergebnis, dass sie dann doch nachlegen mussten!, erklärt Knut Weber.
Sein Theater in Ingolstadt bringt jährlich die neuen Spielzeithefte in jeweils ganz anderen Formaten auf den Markt – in diesem Jahr zum Spielzeitmotto "Liebe". 15.000 Euro kostet die Auflage in Höhe von 8000 Heften. Die Hefte seien kein "schnelllebiges Produkt", betont Weber. Denn viele Zuschauer bewahren sie auf und stellen sie sogar in ihr Bücherregal.
Im neuen Heft besonders auffällig: Die Mitarbeiter aller Gewerke – egal ob Ensemble, Technik oder Verwaltung bekommen je ein ganzseitiges Farbporträt. "Natürlich ist das eine Setzung. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin ist gleich wertgeschätzt bei uns." Weit über zwei Drittel der Mitarbeiter haben mitgemacht. "Das Heft geht weg wie warme Semmeln. Weil, die Zuschauer mögen diese Gesichter sehen".
Ausdruck eines Selbstverständnisses
Und welche Rolle spielt der Umweltaspekt bei der Planung der Broschüren? Natürlich eine große, meint der Ingolstädter Theaterintendant: "Wir haben das Bavaria-Papier verwendet." Dieses habe ein sehr geringes Gewicht. "Dadurch lassen sich Material- und Versandkosten sparen."
Eine "Hochglanzgoldglimmer-Ästhetik" wolle er für seine Spielzeithefte nicht. Das Heft sei für ihn auch Ausdruck eines Selbstverständnisses. "Ich plädiere für eine gewisse Bescheidenheit", sagt Knut Weber. "Wir wollen nicht so tun, als wären wir eine reiche Institution – wir wollen auch politisch keine Missverständnisse hervorrufen."
Das Staatstheater Nürnberg erklärte per Twitter unterdessen:
(sb/abr)