Theater

Zum Klingen gebrachte Sprache

Ein bislang unbekanntes Portrait des englischen Lyrikers William Shakespeare wird am 12.02.2014 in Mainz (Rheinland-Pfalz) präsentiert.
38 Dramen und 154 Sonette: Der schöpferische Kosmos William Shakespeares umfasst den Glanz der Paläste und den Dreck der Gassen ebenso wie den Zauber der Natur. © picture-alliance/ dpa / Daniel Reinhardt
Von Ruth Fühner |
Am 23. April 1564 soll er geboren sein - darauf hat sich zumindest die Forschung verständigt. Dokumente über das Leben William Shakespeares sind rar. Dennoch sind sich Literaturwissenschaftler einig - er ist einer der bedeutendsten Dramatiker der Welt.
"All the world's a stage,
And all the men and women merely players:
They have their exits and their entrances;
And one man in his time plays many parts."
Die ganze Welt ist Bühne, heißt es in "Wie es euch gefällt" – doch wann genau William Shakespeare seinen ersten Auftritt auf dieser Bühne hatte, wissen wir nicht. Dass es am
23. April 1564 war – darauf hat sich die Forschung geeinigt, gesichert ist nur das Taufdatum, der 26. April. Spärlich sind die Dokumente über Shakespeares Leben, kaum Handschriftliches gibt es von ihm, keine Berichte von Freunden oder verbürgte Anekdoten, und ob er je Porträt gesessen hat für eins der Bilder, die ihn angeblich zeigen, ist ungewiss.
Was also wissen wir? Shakespeares Vater, ein Handschuhmacher, brachte es dank geschickter Heirat bis zum Ratsherrn in Stratford. William besuchte die örtliche Lateinschule, zu deren Lehrplan auch das Verfertigen kleiner Dramen nach antikem Vorbild gehörte. Ein Fundus, aus dem er sich auch später noch bedienen sollte – in "Julius Cäsar" zum Beispiel:
"Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,
Mit glatten Köpfen, die nachts gut schlafen.
Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;
Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich."
Mit 18 heiratete Shakespeare die Bauerntochter Anne Hathaway, mit der er drei Kinder bekam, es folgen die von der Forschung sogenannten "verlorenen" Jahre, in denen jede Nachricht von ihm fehlt. Und plötzlich ist er da - in London. 1592 beschimpft ihn ein neidischer Kollege:
"Denn es gibt eine emporgekommene Krähe, fein herausgeputzt mit unseren Federn, die mit ihrem Tigerherz, in einem Schauspielergewand versteckt, meint, Blankverse ausschütten zu können wie die Besten von euch; und als ein absoluter Hans-Dampf-in-allen-Gassen kommt er sich als der einzige Theater-Erschütterer im Land vor."
Sein erstes offizielles Werk war ein Gedicht
Unfreiwillig offenbart die Beschimpfung, wie sehr Shakespeare die Londoner Theaterwelt damals schon aufmischte. Zu dieser Zeit war er Mitglied einer Schauspieltruppe, die unter dem Namen ihres jeweiligen Mäzens firmierte, zuletzt als "The King’s Men". Für sie schrieb er seine Stücke, am finanziellen Erfolg war er beteiligt. Das erste Werk allerdings, das unter dem Verfasser-Namen "Shakespeare" gedruckt erschien, war kein Schauspiel, sondern ein langes Gedicht – Titel: "Venus und Adonis". Mit der Zeit und gut entwickeltem Geschäftssinn brachte es Shakespeare zum Mitbesitzer zweier Theater – des Globe, wo unter freiem Himmel gespielt wurde, später des nobleren Blackfriars-Theaters, das auch im Winter nutzbar war – vielleicht auch für das Schurkendrama "Richard III."

Szene aus "Henry V." von William Shakespeare im Globe Theatre London
Szene aus "Henry V." von William Shakespeare im Globe Theatre London© picture alliance / Photoshot
"Nun ward der Winter unseres Mißvergnügens
Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks;
Die Wolken all, die unser Haus bedräut,
Sind in des Weltmeers tiefem Schoß begraben.
Nun zieren unsre Brauen Siegeskränze,
Die schart'gen Waffen hängen als Trophä'n;
Aus rauhem Feldlärm wurden muntre Feste,
Aus furchtbar'n Märschen holde Tanzmusiken."
Mit 46 Jahren zog sich Shakespeare aus London nach Stratford zurück, reich auch an ihn immer düsterer stimmender Lebenserfahrung, urteilt man nach seinen späten Stücken. Als er am 23. April 1616 starb, verfügte er über einen umfangreichen Besitz. In seinem Testament ist zwar von Silbertellern die Rede, doch nicht von Büchern, Manuskripten, einem literarischen Vermächtnis irgendeiner Art.
Das Geburtshaus von William Shakespeare in Stratford-upon-Avon
Das Geburtshaus von William Shakespeare© picture-alliance/ dpa / MAXPPP
Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die bis heute nicht glauben wollen, dass ein Provinzler ohne nachweisbaren Universitätsabschluss jenen Kosmos aus 38 Dramen und 154 Sonetten geschaffen haben soll, der der Nachwelt noch heute Bewunderung abnötigt. Einen Kosmos, der den Glanz der Paläste und den Dreck der Gassen ebenso umfasst wie den Zauber der Natur. Durchdrungen von Poesie und Raserei, Tränen und grimmigem Humor, Heiterkeit und tiefem Pessimismus. Bevölkert von Frauen und Männern, wie sie so komplex, so tiefgründig und so aus dem Leben gegriffen erst Jahrhunderte später wieder die Bühne betreten. Zum Klingen gebracht in einer Sprache, die vom Jargon der Gosse bis zu den feinen Ziselierungen der höfischen Sprache reicht.
Heute ist sich die Shakespeare-Forschung, der dürftigen Dokumentenlage zum Trotz, mehrheitlich einig, dass es tatsächlich der Handschuhmacher-Sohn William Shakespeare aus Stratford war, den die Welt als größten "Theater-Erschütterer" aller Zeiten kennt.
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