Theaterautorin Sasha Marianna Salzmann

Wie Kunst eine "Heilwirkung" haben kann

08:51 Minuten
Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Autorin Sasha Marianna Salzmann bei der Lit Cologne am 27.03.2019 in Köln
Sich mit den anderen zu verbinden, um Beruhigung zu schenken, sei auch Kunst, sagt die Theaterautorin Sasha Marianna Salzmann. © dpa/ picure alliance / Horst Galuschka
Sasha Marianna Salzmann im Gespräch mit Vladimir Balzer · 18.03.2020
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Der abgesagten Preisverleihung trauere sie in der aktuellen Situation nicht nach, sagt die Autorin Sasha Marianna Salzmann, die den Kunstpreis Berlin zugesprochen bekam. Kunst könne in Krisenzeiten einen wichtigen Beitrag zum sozialen Überleben leisten.
Sasha Marianna Salzmann ist in der Kategorie Darstellende Kunst mit dem Kunstpreis Berlin geehrt worden. Die geplante Preisverleihung in der Akademie der Künste fand am Mittwochabend aufgrund der Corona-Pandemie allerdings nicht statt. Salzmann hat neben Theaterstücken auch mehrere Romane veröffentlich und ist Hausautorin am Maxim Gorki Theater in Berlin.

Lebenshilfe Kunst

Wichtig sei aktuell, dass man sich mit Menschen solidarisiere, die gerade gar nicht auf die Straße gehen könnten oder ganz andere Hilfe bräuchten, sagt Sasha Marianna Salzmann. Ihre Arbeitsroutine habe sich kaum geändert – sie arbeite von zu Hause aus, unter anderem an einem neuen Roman. Sie tausche sich mit vielen Menschen, die jetzt zu Hause säßen, über Kunst aus.
"Es ist auch eine Möglichkeit, nicht verrückt zu werden, weil Kunst findet natürlich im öffentlichen Leben statt. Das heißt, wenn man zum Beispiel Texte austauscht, kann es eine Möglichkeit sein, sich jetzt ruhig zu halten und nicht in Panik zu verfallen. Man kann über Bücher, die man liest, sprechen, natürlich über Filme, die man schaut, die Musik, die gerade auf den Markt kommt. Also ich glaube, dass Kunst über die öffentliche Räume hinaus noch eine große Wirksamkeit, eine wichtige Heilwirkung jetzt haben könnte."
Schon seit ihrer Kindheit habe Kunst eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt, durch Bücher und Theater habe sie Schulprobleme verdrängen können: "Ich glaube, ich gehöre zu den Glücklichen, die einen Film schauen können, danach ist die Welt ein bisschen besser."

"Schönes zu schenken, ist auch Kunst"

Die Hälfte ihrer Zeit verbringe sie damit, mit Menschen zu telefonieren, die jetzt psychische Hilfe und Unterstützung bräuchten, etwa allein erziehende Mütter aus ihrem weltweiten Freundeskreis, mit zum Teil prekären Situationen. Vieles, was sie lese, erzähle sie jetzt anderen, so Salzmann: "Um einfach auch Geschichten weiter zu tragen. Ich glaube, Geschichten haben ja deswegen auch überlebt. Also noch länger,als das Medium Buch überhaupt existiert. Das ist etwas, woran wir uns jetzt gut festhalten können. Sich mit den anderen zu verbinden und Schönes zu schenken oder Beruhigung zu schenken, das ist auch Kunst."
Aus der Krise könne man lernen, was tatsächliche Solidarität ist. Es stelle sich die Frage, ob wir in Zukunft so wirtschaftsorientiert leben wollten wie bisher, sagt Salzmann. Dazu gehöre dann auch die Diskussion nach einem gerechten Mindestlohn und wie man Künstler künftig so sozial absichere, "damit ganz viele, die brotlos sind, weil sie von Auftritten leben, nie wieder in so eine Situation reinrutschen."
(mle)
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