"Agora", Schauspielhaus Wien, Regie: Robert Misik, konzeptionelle Mitarbeit: Milo Rau, weitere Vorstellungen: 31.5., 7.6., 10.6., 11.6., 13.6., 14.6.
"Eine Einladung, Demokratie einzuüben"
In was für einem Land wollen wir leben? Dieser Frage gehen der Theatermacher Milo Rau und der Publizist Robert Misik im Wiener Schauspielhaus nach. Die Idee: Das Publikum zum Reden bringen - wie in der antiken Agora. Unser Kritiker Sven Ricklefs war dabei.
Es ist ein Experiment, das nun noch an sechs Abenden während der Wiener Festwochen läuft: auf der Bühne ein Coach und Robert Misik als Moderator, dazu Menschen, die sich trauen zu reden. Jeder hat vier Minuten Zeit vorzutragen, was er über die Frage denkt: In was für einem Land wollen wir leben?
"Eine gute Idee und durchaus an anderen Orten nachahmenswert", findet Sven Ricklefs: "Es ist die Einladung dazu, Demokratie einzuüben, die Stimme zu erheben, in dem ja letztlich sehr geschützten Raum eines Theaters und im Rahmen der nochmal geschützteren Wiener Festwochen."
Er selbst hat eine "schöne Diskussion" zu der Frage erlebt, warum man nicht die Stimme erhebt und denkt, der andere solle das machen – und warum man es dann eben doch tue. Klar sei allerdings: Das Festwochen-Publikum sei recht homogen und gehöre zur vielgescholtenen Elite. Es sei nicht zu erwarten, dass da Meinungen "heftigst aufeinanderprallen könnten". Deshalb lade Misik Leute ein, die "ansatzweise reizen könnten" – wie etwa einen Journalisten vom Boulevardblatt "Kronen Zeitung".
Ricklefs selbst hat bei seinem Besuch auch interveniert: Ein Flüchtling aus Afghanistan habe auf der Bühne gesessen, doch bis kurz vor Schluss habe er nichts sagen können - und sei auch nicht dazu aufgefordert worden: "Ich habe mich dann tatsächlich dorthin gewagt, ein bisschen vorlaut, und habe letztlich auch an die Adresse des Moderators gesagt: Das ist ein bisschen wie in unserer Demokratie." Jene, die zu uns kämen und über die wir so viel redeten, kämen selbst nicht zu Wort. (bth)