Fluch und Segen der freien Entscheidung
Das Theaterfestival "Impulse" gilt als wichtigstes Branchentreffen der Freien Szene. In diesem Jahr unter dem Motto "Decide or else" - entscheide dich oder stirb! Doch was, wenn dabei ein Brexit herauskommt? Dorothea Marcus war für uns vor Ort.
"Decide or else", also "Entscheide oder stirb" ist das Motto des diesjährigen Impulse-Festivals, das als wichtigstes Branchentreffen der Freien Szene gilt, mittlerweile von einem Dramaturgenteam kuratiert wird – und sich laut seinem Leiter Florian Malzacher in Zeiten von Trump und Brexit mit dem Dilemma auseinandersetzt, dass demokratische Entscheidungsprozesse fatal verlaufen können.
"Recht beliebiges" Motto
Die gezeigten Impulse-Arbeiten des ersten Wochenendes deklinieren die Frage auf verschiedensten Ebenen durch, zeigen aber auch, dass das diesjährige Motto recht beliebig ist: Die österrreichischen "Rabtaldirndl" stellen charmant und rustikal mit Overhead-Projektoren und Karton-Dirndln die Frage nach, ob man in der Heimat bleiben oder gehen soll. Die Newcomer aus Hildesheim "Vorschlag:Hammer" untersuchen anhand der fiktiven Biografie "Die Erfindung der Gertrud Stock" sanft O-Töne sprechend, aus welchen Entscheidungen sich ein Schicksal zusammensetzt.
In Düsseldorf ist als Satellitenprojekt die Performance der momentan auf dem Kunstmarkt sehr angesagten Künstlerin Alexandra Pirici zu sehen, die es allerdings schwer hat, einen Resonanzraum zu kreieren, dennoch aber ein spannendes Gedankenangebot ist. Als Zuschauer muss man da allerdings nur entscheiden, wann man hinausgeht. Und dann kann man sich noch als europäischer Kunstkonsument in Echtzeit für zehn Minuten mitten in eine chinesische Baumwollfabrik beamen lassen und mit einem der Akkord arbeitenden Kinder Kontakt aufnehmen – was tief in die Eingeweide fährt und im Idealfall weitere private Lebens- beziehungsweise Konsumentscheidungen beeinflusst.
Durchlässige Grenze zwischen Bildender Kunst und Theater
Die Arbeit "Guilty Landscapes" stammt vom in Berlin lebenden Niederländer Dries Verhoven und zeigt beispielhaft, wie durchlässig die Grenzen zwischen Bildender Kunst und Theater, Nationalem und Internationalem, freiem und etabliertem Theater geworden sind. Wenn überhaupt, ist dies die Tendenz, die an der Impulse-Ausgabe 2017 ablesbar ist.
Trotz großer Inspirationen am ersten Wochenende bleibt es fraglich, ob die Tendenz zum kuratierten Festival den "Impulsen" guttut. Was, wenn es nun in weniger talentierte Kuratorenhände als die des politisch so präzise denkenden Florian Malzacher fällt? Stellenweise hat das Festival den Charakter einer Fachmesse – fast wirkt es wie Zufall, dass es überhaupt in NRW stattfindet.