Niederländer erkunden Thüringer Heimatgefühle
Das niederländische Kollektiv "Wunderbaum" leitet seit Oktober das Theaterhaus Jena. In "Megamix Thüringen" spielt es mit dem Ländermarketing und dem eigenen Ankommen: Nein, Chemnitz ist nicht in Thüringen und ja, es gibt viele Rechtsrock-Konzerte.
Theater macht man in Jena schon lange etwas anders. 1991 übernahm ein Abschlussjahrgang der Berliner Schauspielschule Ernst Busch die Leitung, und seitdem setzt man beim Theaterhaus Jena auf Kollektive und aufs Erforschen neuer Theaterformen. So leiteten etwa Claudia Bauer und Rainald Grebe zusammen mit Dramaturgin Sabine Westermaier das Haus in der Spielzeit 2002/03.
Seit diesem Oktober ist noch mal alles ganz anders geworden – und weitaus internationaler. Das niederländische Theaterkollektiv "Wunderbaum" hat nun als künstlerische Leitung das Sagen.
Außergewöhnliches Angebot
"Wir haben gehört, dass Jena ein Kollektiv suchte, und das war für uns so außergewöhnlich", berichtet Walter Bart von "Wunderbaum". "Das hört man eigentlich nie. Und dann dachten wir: Jetzt oder nie. Dann haben wir das Haus kennengelernt und Jena auch, und da dachten wir: Das ist wirklich eine sehr schöne Stadt, sie hat eine gute Größe für uns, um zu arbeiten. Dann haben wir die Möglichkeiten untersucht und haben gesagt: 'Ja, das kann klappen!'"
Auch für Pina Bergemann, die als Schauspielerin zum Ensemble des Theaterhauses Jena gehört, ist die Situation ungewohnt. Schließlich hat sie lange im klassischen Stadttheater gearbeitet, war mehrere Jahre am Schauspiel Leipzig unter Intendant Enrico Lübbe tätig. "Es ist wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht, muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist natürlich ein viel kleineres Theater, allein von der Größe nicht mit Leipzig zu vergleichen. Von daher sind die Kommunikationswege natürlich kürzer; aber ich denke, hier sind eindeutig die Hierarchien viel flacher, ich bin als Schauspielerin ganz anders eingebunden, ich beteilige mich ganz anders an Produktionen, da es ja auch immer Stückentwicklungen sind."
Ländermarketing auf den Kopf gestellt
Die Produktion, an der sie gerade arbeiten und die in Kürze Premiere feiern wird, beschäftigt sich ganz bewusst mit Heimatgefühlen und Fragen der Identität. In "Thüringen Megamix" nehmen "Wunderbaum" das gesamte Ländermarketing auseinander und stellen es auf den Kopf.
Dabei setzen sie sich auch mit typischen Vorurteilen auseinander, wie Walter Bart betont: "Man hört schnell, dass die Leute fragen 'Was ist jetzt los in Chemnitz?' Und wir erklären: 'Nein, Chemnitz ist nicht in Thüringen, das ist ein bisschen weiter weg.' Die Leute sprechen darüber, was da passiert; oder wie viele Rechtsrock-Konzerte es gibt. Und dann dachten wir: Das ist das, womit wir jetzt arbeiten. Was für ein Bild hat man von Thüringen? Und man hört ja glücklicherweise auch noch andere Sachen."