Die kleine Oktoberrevolution
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Seit mehreren Wochen demonstrieren die Studierenden der Hochschule für Theater und Film in Budapest gegen die Orbán-Regierung, die die Leitung ausgetauscht hat. Die Proteste könnten auch eine Reform der Kunstszene anstoßen, hofft Autorin Noemi Kiss.
Seit Ende August wird die Theater- und Filmhochschule in Budapest von einem Kuratorium geleitet, das von der ungarischen Regierung um Viktor Orbán eingesetzt wurde. Die Leitung der Schule übernahm ein hochrangiger Offizier, der bis dahin mit Kultur wenig zu tun hatte. Attila Vidnyánszky wurde Stiftungsvorsitzender. Der Theatermacher gilt als regierungsnah und konservativ.
Mit diesem Personalwechsel will die Orbán-Regierung ihren Einfluss auf die Kulturszene ausweiten. Die alte Führung der Hochschule wurde entmachtet.
Rund 300 Studierende protestieren seitdem gegen diese Maßnahmen. Sie wollen, dass ihre Hochschule autonom bleibt. "Seit einer Woche bin ich hoffnungsvoller und habe auch Zuversicht", sagt die ungarische Schriftstellerin Noemi Kiss mit Blick auf die Proteste, die sehr gut organisiert seien. Es gäbe viele Intellektuelle, Kunstschaffende und Autoren, die sich solidarisierten und seit Wochen mitdemonstrieren.
Ungarn brauche Reform der Kunstszene
Ihre Hoffnung sei, dass eine Kommunikation mit der Gesellschaft gelänge. "Und vielleicht werden dann die Leute klar sehen, warum das nicht gut ist, wenn diese Schule besetzt wird von Leuten, die dort eigentlich nicht erwünscht sind."
Eigentlich bräuchte es eine Reform der Kunstszene in Ungarn, findet Noemi Kiss. "Diese ganze Szene ist sehr patriarchalisch", sagt die Schriftstellerin. "Auch nach der Wende wurde das sehr stark kritisiert, dass unsere Kunstszene sehr konservativ ist." Sie könne sich vorstellen, dass durch die Proteste der Studierenden eine Reform angestoßen werden könnte. "Aber ich bin vielleicht auch sehr optimistisch oder ich erwarte zu viel."
(nho)