Folge 41

Queen Lear: Rollentausch im Theater

42:59 Minuten
Die Schauspielerin Constanze Becker trägt einen roten Umhang auf der Bühne.
Männliche Präsenz auf der Bühne: Constanze Becker in der Rolle des Caligula. © Julian Roeder / Berliner Ensemble
Von Susanne Burkhardt und Elena Philipp |
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In Theaterklassikern sind Frauenfiguren oft Nebenrollen: verzweifelt liebend, dann schnell tot. Was können Schauspielerinnen dagegen tun? Die Rolle tauschen und Männer spielen. Problem gelöst? Wir fragen Regisseurin Leonie Böhm und Regisseur Antú Romero Nunes.
Ob Schillers „Die Räuber“, Shakespeares „Hamlet“ oder Goethes „Faust“: Frauen kommen in Theaterklassikern oft nicht gut weg. Zum Beispiel das Gretchen: von Faust geschwängert, sitzen gelassen, am Ende tot. Ophelia: von Hamlets Wahnsinns-Spiel verwirrt, bringt sich um. Amalia: aussichtslos verliebt in den Räuber Karl, lässt sich lieber von ihm erdolchen, als ohne ihn zu leben. Kann man diese Texte heute noch aufführen?

Auf den Kern reduziert

Wie man alte Stücke so aktualisiert, dass sie Spielende wie Zusehende etwas angehen können, erklären Regisseurin Leonie Böhm und Regisseur Antú Romero Nunes. Leonie Böhm ist bekannt geworden mit Inszenierungen, die Klassiker auf ihren Kern reduzieren. Gemeinsam mit einer Gruppe von Schauspielerinnen nimmt sie die alten Texte auseinander und setzt sie neu zusammen.
Ihr Ziel ist, im Theater eine Utopie solidarischen Zusammenlebens zu entwerfen. 2019 waren ihre „Räuberinnen“ an den Münchner Kammerspielen eine Gruppe therapiebedürftiger Individuen, die sich in ein ausgelassenes Miteinander befreiten. Schillers Freiheitsstreben, das in seinem Stück „Die Räuber“ immer wieder zerschellt, wurde so auf der Bühne verwirklicht.

Derbe Herrenwitze – derbere Frauenwitze

Antú Romero Nunes, Co-Direktor der Schauspielsparte am Theater Basel, hat am Berliner Ensemble schon 2017 „Caligula“ mit Constanze Becker in der männlichen Hauptrolle inszeniert. Aktuell probt er dort Goldonis Commedia dell’Arte „Diener zweier Herren“. Bei ihm durchweg mit Frauen besetzt, die auf die derben Herrenwitze der Vorlage noch eins drauflegen.

Frauen werden seltener beauftragt, lustig zu sein, was ein Fehler ist. Da verpasst man viel.

Antú Romero Nunes

Sind Frauen die besseren Theaterbühnen-Männer?

Was sich verändert, wenn man Rollen anders besetzt und damit für Frauen Fakten schafft, erzählen Leonie Böhm und Antú Romero Nunes im Theaterpodcast. Werden die problematischen Aspekte männlicher Dramenfiguren aufgelöst, wenn eine Frau den Mann spielt? Wiederholt man mit den alten Stoffen nicht immer wieder ein überkommenes Bild von Geschlechterrollen? Inwiefern kann und muss man die alten Texte umschreiben und verändern?

Wer macht den Theaterpodcast?
Einmal im Monat greift der Theaterpodcast die wichtigen Debatten rund um das Theater und seine Macherinnen und Macher auf. Über die Kunst und den Betrieb, in dem immer noch zu wenig Frauen das Sagen haben, sprechen zwei Theaterredakteurinnen: Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk-Kultur-Theatermagazin Rang 1 und Elena Philipp vom Onlineportal nachtkritik.de.

Susanne Burkhardt studierte Kulturwissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und in London (Middlesex University). Sie ist Diplom-Medienberaterin und begann ihre Radiokarriere als Hörspielregieassistentin beim Sender Freies Berlin (später RBB). Nach einem Volontariat beim Deutschlandradio ist sie seit 2001 Redakteurin, Autorin und Moderatorin bei Deutschlandfunk Kultur.

Elena Philipp studierte in Freiburg Politik und Soziologie, entschied sich nach einer Regiehospitanz aber für ein Studium der Theater-, Film- und Literaturwissenschaft in Berlin. Dort arbeitete sie für Tanzfestivals, war Mitgründerin eines Literaturmagazins und eines Text-Ton-Festivals und etablierte beim Literaturwettbewerb Open Mike das Livebloggen. Seit 2006 schreibt sie für Tageszeitungen und Fachmedien über Theater und Tanz. 2017 wurde sie Redakteurin beim Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de.

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