Theaterskandal in Polen

Sex auf der Bühne geht dem Kulturminister zu weit

Der polnische Vize-Regierungschef und Kulturminister Piotr Glinski ist erst wenige Tage im Amt, will aber bereits am Polnischen Theater in Breslau ein missliebiges Stück absetzen lassen.
Der polnische Vize-Regierungschef und Kulturminister, Piotr Glinski, ist erst wenige Tage im Amt, will aber bereits am Polnischen Theater in Breslau ein missliebiges Stück absetzen lassen. © picture alliance / dpa
Von Florian Kellermann |
Wenige Tage nach ihrem Amtsantritt hat Polens konservative Regierung die Aufführung von Elfriede Jelineks "Der Tod und das Mädchen" im staatlichen Polnischen Theater in Breslau zu unterbinden gesucht. Grund waren angebliche sexuelle Handlungen auf der Bühne.
Dieses Interview wird Polen noch lange beschäftigen: Die Fernsehjournalistin Karolina Lewicka stellt dem neuen Kulturminister eine provokante Frage. Trotz mehrmaligen Nachhakens bekommt sie keine Antwort – und erteilt dem Politiker eine Lektion:
"Ein Politiker kann seinen Standpunkt auf Pressekonferenzen vortragen. In Interviews antwortet er auf Fragen."
"Propaganda und Manipulation" durchs öffentlich-rechtliche Fernsehen?
So geschehen am Sonntag im öffentlichen Fernsehsender TVP, nun hat der Leiter des Senders die Redakteurin Lewicka von ihren Aufgaben suspendiert. Sie habe die journalistischen Standards verletzt, erklärte der TVP-Chef Janusz Daszczynski. Damit setzte er die Drohung um, die Kulturminister Glinski noch während des Interviews aussprach:
"Das ist eine Propagandasendung, Ihr Fernsehsender betreibt seit mehreren Jahren Propaganda und Manipulation. Aber das wird aufhören, denn so sollte öffentliches Fernsehen nicht funktionieren."
Piotr Glinski gehört der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, an. Ihre Fraktion verfügt seit der Wahl im Oktober über die absolute Mehrheit im Parlament. Kritiker sehen sich nun in ihrem Vorwurf bestätigt, die PiS mit ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski wolle die Presse- und Meinungsfreiheit aushebeln.
Pornografie in der Öffentlichkeit wird nicht geduldet
Auch beim Anlass für das Interview ging es um Freiheit, um künstlerische Freiheit. Kulturminister Glinski, gerade eine Woche im Amt, wollte die Premiere eines Stücks von Elfriede Jelinek verhindern. "Der Tod und das Mädchen" kam dennoch am Samstag im staatlichen Theater in Breslau zur Aufführung.
Der Minister:
"Die Informationen, die ich bekommen habe, stammten vom Theater und von der Regisseurin. Sie lauteten: Auf der Bühne, live, sollte es zu einem vollwertigen Geschlechtsakt kommen. Und das in einem Theater, das sich durch öffentliche Mittel finanziert."
Pornografie in der Öffentlichkeit dürfe er nicht dulden, argumentierte Glinski. Er wandte sich an die Regierung des Bezirks Niederschlesien, die die Premiere verhindern sollte. Die Beamten dort sahen dafür aber keinen Anlass.
Der Kulturminister bestritt, dass er Zensur üben wolle. Die Inszenierung von Jelineks Theaterstück jedoch überschreite die in der Gesellschaft geltenden Normen, heißt es in einem Brief an die Bezirksregierung.
Der Theaterdirektor fordert den Rücktritt des Ministers
Der Direktor des Theaters in Breslau Krzysztof Mieszkowski hält das sehr wohl für Zensur:
"Ich bitte Herrn Glinski darum, seinen Rücktritt einzureichen. Es muss doch gehen, dass wir Polen – trotz unterschiedlicher Ansichten – gemeinsam in diesem Land leben können. Aber mir scheint, die jüngsten Maßnahmen der Machthaber zeigen ein Konzept des Regierens auf, das zur Diktatur führt."
Dazu zählt für Theaterdirektor Mieszkowski auch, dass die Regierung bereits die Leiter aller Geheimdienste austauschte und die Wahl der Verfassungsrichter neu regeln will.
Die Inszenierung von "Der Tod und das Mädchen" in Breslau sollte schockieren. Regisseurin Ewelina Marciniak bringt für wenige Sekunden zwei Pornodarsteller auf die Bühne. Schon die Ankündigung des Theaters wühlt auf: Es gehe in dem Stück darum, wie man "am effektivsten foltert", heißt es in dem Text.
"Die Qualität des Stückes ist über jeden Zweifel erhaben"
Beobachter gehen davon aus, dass Theaterdirektor Mieszkowski die neue konservative Regierung gezielt vorführen wollte. Denn auch er ist Politiker - Mieszkowski sitzt seit kurzem für die liberale Partei "Modernes Polen" im Parlament.
Deshalb trat Mieszkowski nun auch mit dem Parteivorsitzenden Ryszard Petru vor die Kameras. Der sagte:
"Ich möchte Herrn Glinski nach Breslau einladen, dann schauen wir uns die Inszenierung gemeinsam an. Ich sorge für die Eintrittskarten. Jelinek ist immerhin eine Nobelpreisträgerin, die Qualität des Stücks ist also über jeden Zweifel erhaben."
Die neue polnische Regierung macht kein Hehl daraus, dass sie die Menschen moralisch erziehen möchte. Die Kulturpolitik solle dazu dienen, den Patriotismus zu stärken, erklärte Ministerpräsidentin Beata Szydlo in ihrer Regierungserklärung. Die Auseinandersetzung um die Inszenierung in Breslau jedoch macht deutlich: Die liberalen Polen wollen sich diese Sicht von Kultur nicht aufzwingen lassen.
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