Theaterstück „Bayerische Suffragetten“

Erschrocken über die eigenen Zustände

09:15 Minuten
Mehrere Frauen sind in weißem Kostüm auf der Bühne, auf der Leinwand hinter ihnen ist eine Frau mit Zigarette zu sehen.
Ungeschönte Frauenbilder: Szene aus dem Theaterstück "Bayerische Suffragetten". © Julian Baumann
Jessica Glause im Gespräch mit Gesa Ufer |
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Ein Fotoatelier war einst das Zentrum der Frauenbewegung in München. Die Kammerspiele wollen mit einem Theaterstück an diese Geschichte erinnern und den „Schmerz des Vergessens“ bewusst machen, sagt Regisseurin Jessica Glause.
München war um das Jahr 1900 die Hauptstadt der deutschen Frauenbewegung. Als feministisches Epizentrum gilt das legendäre Fotoatelier Elvira, geleitet von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker. Dort gingen jede Menge Damen ein und aus, die radikal neue Rechte, Bildung und Gesundheit für Frauen einforderten. Höhepunkt der Bewegung war der Bayerische Frauentag 1899.
An diese fast vergessenen "Bayerischen Sufragetten" erinnert jetzt die Regisseurin Jessica Glause mit einem gleichnamigen Stück in den Münchner Kammerspielen.

Nöte, Ängste und der Wunsch nach Selbständigkeit

Die Fotografie sei damals ein moderner, noch nicht von Männern dominierter Beruf gewesen, sagt Glause. Für Augspurg und Goudstikker war er der Türöffner in die Münchner Szene: "Sie fotografierten Frauen in noch nie gekannten Positionen. Das heißt, am Schreibtisch in Denkerpose, mit Füllfederhalter in der Hand." Zum ersten Mal hätten Frauen als Intellektuelle ernsthaft in eine Kamera blicken können.
Für den performativen Theaterabend hat Glause neun Frauenfiguren entwickelt, die auf eine "Gegenstimme" treffen. Es handele sich bei ihnen um Schriftstellerinnen, die die Münchner Frauenbewegung schreibend flankiert hätten: "Ähnlich wie die Fotoporträts zeigen sie ein ungeschöntes Bild und etablieren zum ersten Mal in der Literatur Frauenfiguren, die mit ihren Nöten und Ängsten und ihrem Wunsch nach Selbständigkeit auftreten. Sie schreiben wirklich über das Erschrecktsein ihrer eigenen Zustände", sagt Glause.

"Warum wissen wir nichts über diese Generation?"

In dem Stück geht es auch darum, wie die Geschichte der bayerischen Suffragetten in Vergessenheit geraten konnte. Das habe "sehr viel mit der Machtergreifung Hitlers und der Auslöschung durch die Nazis zu tun", aber auch damit, dass die Reden von Frauen nicht wertgeschätzt und archiviert worden seien, sagt Glause: "Der ganze Abend steht eigentlich unter dem Schmerz des Vergessens: Warum wissen wir nichts über diese Generationen vor uns, die schon im 19. Jahrhundert dafür gekämpft haben, dass Frauen als politische Subjekte anerkannt werden?"
(sed)

Das Theaterstück "Bayerische Suffragetten" ist vom 27.6. bis 22.7.2021 in den Münchner Kammerspielen zu sehen.

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