Theaterstück "Kinderkriegen 4.0"

Die "letzte Generation" will keine Kinder

07:43 Minuten
Schwarzweiss Aufnahme von einem jungen Paar mit Baby im Bett, die Eltern lächeln glücklich in die Kamera. DDR, Leipzig 1978.
Ein junges Paar mit Baby 1978: Eine Familie zu gründen, war damals normal. © imago / imagebroker
Kathrin Röggla im Gespräch mit Axel Rahmlow · 19.03.2022
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Die Welt ist zu schlecht, als dass man Kinder in sie setzen sollte: Diese Haltung scheint wieder um sich zu greifen. Die Dramatikerin Kathrin Röggla hat sich damit in einem Theaterstück beschäftigt - und erklärt, wie sich die Debatte rund ums Kinderkriegen in den letzten Jahren verändert hat.
Die Entscheidung, ob man Kinder bekommen möchte oder nicht, prägt das ganze Leben und ist mit sehr viel Druck verbunden: Druck, den man sich selbst macht, der aber auch von Freunden oder Verwandten ausgeübt wird. Dazu kommen die unsicheren Zeiten: Krieg, Klimakrise und Corona lassen so manchen zweifeln, ob es überhaupt noch richtig ist, Kinder in die Welt zu setzen.

Zukunftssorgen anlässlich der Klimakrise

„In Zeiten, wo ökologische Krisen ganz deutlich werden, jetzt auch in Kriegszeiten, schiebt sich etwas sehr Dunkles über die Entscheidungsgrundlage“, sagt die Schriftstellerin und Dramatikerin Kathrin Röggla. Sie hat vor zehn Jahren das Theaterstück „Kinderkriegen“ geschrieben – und mit dem Stück „Kinderkriegen 4.0“ nun ein Update nachgelegt, das am Theater in Dortmund Premiere feiert.

Ich höre leider immer wieder den Satz: Wir sind die letzte Generation und wir werden keine Kinder kriegen. Das ist schon sehr bedrückend.

Dramatikerin Kathrin Röggla

Vor zehn Jahren, als sie ihr erstes Stück schrieb, hätten andere Themen im Fokus gestanden, erinnert sich Röggla: Damals sei es mehr um „Wie leben und wohnen wir“ gegangen, um Gentrifizierung und die Frage: Wer soll überhaupt Kinder kriegen?
„Man wollte weg von dieser Vorstellung der Hartz-IV-Familie, der sozial vernachlässigten Kinder“, so Röggla. Eine Fantasie, dass Kinder aus akademischen Familien für die Gesellschaft wünschenswerter seien: „Das ist ein ziemlich schlimmer Diskurs gewesen.“

Die Uraufführung der ersten Fassung von „Kinderkriegen 4.0“ war ein schräges Musical. Die neue Version zehn Jahre später am Schauspiel Dortmund kommt ohne Musik aus, wie unser Kritiker Stefan Keim berichtet : „Da gibt es ein Vorwort von Kathrin Röggla, die geschrieben hat, dass die Musik irgendwie verloren gegangen ist. Sie bezeichnet ihr Stück jetzt als Musical, dem die Farbe abgeblättert ist. Der Vergnügungspark steht noch, aber Riesenrad, Achterbahn und Wasserrutsche werden schon für andere Dinge benutzt.“ Insgesamt sei die Inszenierung von Julia Wissert brav und texttreu und auch leider relativ schnell vorhersehbar. Einige virtuose Momente konnte unser Kritiker dennoch erleben. Sein Fazit daher: alles in allem ein guter Abend.

Individuell und sinnstiftend statt Schicksal

Was in der Debatte um die Familienplanung in den zehn Jahren gleichgeblieben ist: die große Bedeutung, die man diesem Thema zuschreibt. Kinder zu kriegen sei heutzutage „eine sinnstiftende Geschichte".
Vor Einführung der Anti-Baby-Pille sei eine Schwangerschaft hingegen einfach Schicksal gewesen. „Da hat man ja nichts groß entscheiden können“, sagt Röggla. Heute habe der Kinderwunsch viel mit Individualität zu tun, „mit dem, was man im Leben für einen Sinn generieren möchte“. Das sei historisch gesehen relativ neu.
(lkn)

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