Martin Ambaras Inszenierung "Swatche Baartman: Une histoire. Une vie" wird am 12. und 13. April 2019 um 20 Uhr im Ringlokschuppen in Mülheim an der Ruhr aufgeführt.
Der Horror des Kolonialismus
12:21 Minuten
Als sogenannte "Hottentotten-Venus" wurde Sarah Baartman nackt ausgestellt. Nach ihrem Tod zeigte man ihre Genitalien im Museum. Mit der Geschichte der Südafrikanerin bringt Regisseur Martin Ambara den Horror der Kolonialgeschichte auf die Bühne.
Für die Europäer, die mit neugierigen Blicken ihren Körper musterten, war sie nur die "Hottentotten-Venus", ihr wahrer Name lautete Sarah Baartman. 1789 wurde sie in Südafrika als Khoikhoi geboren, 20 Jahre später landete sie als lebendes Ausstellungsstück in Europa.
Rassismus und Sexismus gingen Hand in Hand: Besonders für ihr Gesäß und ihr Geschlecht interessierte man sich. "Und selbst nach ihrem Tod in Frankreich hat man sie nicht in Frieden gelassen. Man hat ihr Skelett aufbewahrt, man hat sie regelrecht ausgeweidet, ihre Genitalien in ein Glas gestopft. Das wurde ausgestellt im Musée de l'Homme unweit vom Eiffelturm. Bis 1972 konnte man diese Ausstellung noch sehen", sagt Martin Ambara. Der Regisseur aus Kamerun hörte erst vor wenigen Jahren von der Geschichte Sarah Baartmans. Sie erinnert ihn an einen Horrorfilm.
"Mir ist dann klar geworden, dass ich ein Afrikaner von über 40 bin, der überhaupt keine Ahnung von der eigenen Geschichte hat. Der überhaupt keine Ahnung hatte, wer diese Sarah Baartman wirklich war. Und dann habe ich mich mit ihr auseinandergesetzt und wollte unbedingt ihre Geschichte auf die Theaterbühne bringen."
Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte
Als Martin Ambara sein Stück "Swatche Baartman: Une histoire. Une vie" vor etwa drei Jahren das erste Mal in Kamera aufführte, stellte er fest, dass auch die eingeladenen Lehrer, Professoren und Künstler kaum etwas über Sarah Baartman wussten. "Das hängt mit unserer Schulbildung zusammen", erklärt Ambara. "Die gesamte Kolonialgeschichte und die gesamte Geschichte der Sklaverei wird einfach nicht aufgearbeitet. Selbst bei Universitätsprofessoren ist es so, dass sie die historischen Fakten ignorieren, als sei das immer noch ein Tabu. Und erst die Aufführung unseres Stücks vor drei Jahren hat Recherchen ausgelöst. Erst dann haben sich Universitätsprofessoren, Künstler mit dieser Geschichte auseinandergesetzt."
Mit seiner Inszenierung, die nun auch in Deutschland aufgeführt wird, setzt Martin Ambara sich mit dem Horror der Kolonialgeschichte auseinander. "Das ist die Zeit der großen Kolonialausstellungen, wo die Europäer beweisen wollten, dass alle Afrikaner Wilde und Barbaren sind. Das hat letztendlich dem Rassismus Vorschub geleistet. Und natürlich müssen wir die Geschichte neu schreiben. Wir müssen da etwas entgegensetzen."
Verfremdete Bilder und inszenierte Klischees
In seiner Inszenierung werden die Illustrationen, die die Europäer damals von der "Hottentotten-Venus" machten, von einem Videokünstler bearbeitet und verfremdet. Zugleich bringe er aber auch Klischees und total absurde Vorstellungen der Europäer, wie die eines "Affenmenschen", auf die Bühne. "All das soll dazu führen, dass man den gewissen Wahnsinn und diese Verrücktheit spürt. Das soll dem Zuschauer auch so zugemutet werden", erklärt Martin Ambara. Ihm gehe es darum, im Jahr 2019 eine Diskussion über diese alten Klischees zu entfachen.
"Weil viele dieser Klischees, viele dieser Etiketten, die man Afrikanern übergestülpt hat, im Unterbewusstsein von vielen Menschen nach wie vor weiterleben und letztlich nach wie vor eine Quelle von Rassismus sind."
(mwl)