Theaterzoff mit medialer Aufmerksamkeit
Das Zerwürfnis der beiden ging durch die Gazetten: Doch stimmt Oliver Klucks Vorwurf? Hat die Starregisseurin Alice Buddeberg seinen wütenden Text "Was zu sagen wäre warum" zu stark be- und überarbeitet? Am Schauspiel Frankfurt konnte sich das Publikum nun ein eigenes Urteil bilden.
Links, rechts, hinten auf der Bühne stehen alte Glasvitrinen, wie man sie aus einem Museum kennt - Holzregale mit Glasschiebetüren, solche, in denen man gerne Dioramen mit ausgestopften Tieren zeigt. In diesem Fall zwängen sich die Schauspieler Heinz (Viktor Tremmel), Rowenta (Heidi Ecks), Jürgen /Oliver Kraushaar) und Väter (Thomas Huber), durch die Regale, vorbei an Einweckgläsern mit Plüschtieren, mit Essen, Fischen, Dosen, mit Hausrat, große Einweckgläser, um die 50 Zentimeter hoch. Hier und da ein Schallplattenspieler, aus dem es dudelt; und vorn am Bühnenrand steht ICH (Vincent Glander), also der Theaterautor.
Er erzählt in einem langen Monolog von seiner Unsicherheit, von seiner Realität und seiner Fantasie, ein Schriftsteller zu sein. Das ist also das von Kluck kritisierte multifunktionale Bühnenbild (Bühne: Cora Saller) der Frankfurter Fassung von "Gas zu sagen wäre warum" - gut gemacht, schön absurd bespielbar, unterhaltsam und in seiner "musealen Zeichenhaftigkeit" durchaus sinnträchtig in Bezug auf Klucks Text. Aber eben semantisch auch so polyvalent, dass man jedes Stück darin spielen könnte, was wiederum für viele Bühnenbilder gilt.
Oliver Klucks neuer Theatertext "Was zu sagen wäre warum" erzählt die Geschichte eines Theaterautors - wie Kluck - auf einem Empfang, bei dem ihm ein Literaturpreis verliehen wird. Der Autor, unsicher und angewidert vom anwesenden Bildungsbürgertum, hat sich zuvor seinen ersten Anzug gekauft, wird in dieser ungelenken Montur mit dem Ober verwechselt und fühlt sich gedemütigt wie nur einer, der in eine Gesellschaft hineinkatapultiert wird, die ihm generös und gönnerhaft klar macht, dass er jetzt gerade dabei sei, auch endlich mal anzukommen.
Der Ausflug in die Oberschicht währt aber nur kurz, denn ICH wird zurückgezerrt in seine Unterschichten-Welt. ICHs Vater stirbt, und ICH hat das Erbe zu verteilen: einen Fernseher, eine Waschmaschine, ein Leben. ICHs Vater war Gerüstbauer, Schornsteinfeger, Briefsortierer, Lagerarbeiter bei Netto, er trank Bier, las die BILD und onanierte im Sessel, der nach Mettwurstbrot roch. Mit Rowenta, Heinz und dem Versicherungsagenten Jürgen versucht ICH, das Leben seines Vaters Revue passieren zu lassen. Und so "baden" alle fünf in einem Meer banaler Erinnerungen, die gerade einmal von einem Waschmaschinenwasserschaden bis zu einem unnötigen Telekomvertragsabschluss reichen.
Oliver Klucks Text erzählt vordergründig eine Vater-Sohn-Geschichte, vor allem aber liefert er eine Milieustudie, die den Oberschicht-Unterschicht-Dualismus beleuchtet, und hier eine Generation von Vater-Männern beschreibt, die nach dem Krieg vaterlos aufgewachsen ist – was ihr und vor allem ihren Söhnen zum Verhängnis wird. Klucks Text ist düster, wütend und voller schlechter Laune – langatmig. Der Ton ist sarkastisch, aggressiv, voller Empörung und Wut. Klucks Text-Ich ist gefangen in dieser regressiven Empörung, die ihn komplett ausbremst, hilflos und sarkastisch macht. Hier spricht einer, der sich so übermäßig groß macht, weil er sich so übermäßig klein fühlt.
Diese komplexe Geschichte wird in dem Stück von Alice Buddeberg nicht erzählt. Auch ist der Ton des Stückes durchweg komisch, die Bebilderung sowieso: Väter trägt Windeln, der Versicherungsagent Jürgen versinkt in einem Schaumstofffettschichtanzug. Diese enorme Diskrepanz zwischen "Text" und "Stück" ergibt sich aus den vielen Textänderungen, die das Regieteam der Frankfurter Uraufführung vorgenommen hat.
Vergleicht man die Textfassung des Schauspiel Frankfurt mit dem Text von Oliver Kluck Zeile für Zeile, so fällt auf, dass von Anfang an gravierende Textkürzungen vorgenommen worden sind. Absatzweise wurde hier gestrichen, umgebaut, ausgekoppelt, um wieder neu zusammenzufügen: Es entsteht der Eindruck, der Text sei in einzelne Textbausteine zerlegt worden, um sie dann wieder frei zu montieren. Mitunter geht diese Montagetechnik auch satzweise vor. Fließtext wurde darüber hinaus dramatisiert, Szenen neu angeordnet und neu verquickt.
Die Kürzungen betreffen auch die zentrale Schlussszene, in der Kluck aus einer Szene aus dem Dokumentarfilm "Durch die Nacht mit Michel Friedman" zitiert. Es handelt sich dabei um einen Klassiker der Sendereihe, weil Friedman hier in selbstgefälliger Weise über seine Selbstliebe spricht.
Alice Buddeberg hat versucht, dem Hass und der Wut des Kluck’schen Textes mit Komik beizukommen. Keine schlechte Lösung, weil Wut immer auch eine komische Seite hat, die, wenn man sie hervorhebt, therapeutisch helfen kann, die Wut auszuhalten. In diesem Ansatz zeigt sich eine Reife, die über Oliver Klucks Wutaufstampfen hinausgeht. Und so entsteht durchaus ein stimmiges Buddeberg-Stück, das sich dann aber zunehmend in einer Komik versteigt, die die Wut mit Lachen zuschüttet. Wenn sich etwa der Versicherungsagent Jürgen am Ende aus seiner Schaumstofffettschicht zwängt, um sich – nackt - mit Goldfarbe einzuschmieren. Buddebergs Stück ist unterhaltsam, komisch, es ist handwerklich sehr gut gemacht und als Erzählung einer Vater-Sohn-Geschichte irgendwie nett. Aber es hat mit Klucks Text gar nichts zu tun.
Weil Alice Buddeberg die Wut klein macht, weil sie den großen Komplex der dem Stück eingeschriebenen Holocaust-"Aufarbeitung" ausblendet, die wichtig ist, um diese Vater-Männer zu verstehen, reduziert sie es. Das Stück ist ein Kompromiss, bei dem der Autor verliert.
Oliver Kluck könnte aber gewinnen, wenn er sich das Stück einmal anschaute, um zu sehen, dass Wut nicht zur starren Pose verkommen muss, dass gerade Wut Kompromisse braucht, die man sich - wie in diesem Fall und leider so oft - sehr schmerzlich erarbeiten muss. Aber natürlich ist das Theater keine Abspielstation von Texten, die man beliebig konfektionieren kann.
Er erzählt in einem langen Monolog von seiner Unsicherheit, von seiner Realität und seiner Fantasie, ein Schriftsteller zu sein. Das ist also das von Kluck kritisierte multifunktionale Bühnenbild (Bühne: Cora Saller) der Frankfurter Fassung von "Gas zu sagen wäre warum" - gut gemacht, schön absurd bespielbar, unterhaltsam und in seiner "musealen Zeichenhaftigkeit" durchaus sinnträchtig in Bezug auf Klucks Text. Aber eben semantisch auch so polyvalent, dass man jedes Stück darin spielen könnte, was wiederum für viele Bühnenbilder gilt.
Oliver Klucks neuer Theatertext "Was zu sagen wäre warum" erzählt die Geschichte eines Theaterautors - wie Kluck - auf einem Empfang, bei dem ihm ein Literaturpreis verliehen wird. Der Autor, unsicher und angewidert vom anwesenden Bildungsbürgertum, hat sich zuvor seinen ersten Anzug gekauft, wird in dieser ungelenken Montur mit dem Ober verwechselt und fühlt sich gedemütigt wie nur einer, der in eine Gesellschaft hineinkatapultiert wird, die ihm generös und gönnerhaft klar macht, dass er jetzt gerade dabei sei, auch endlich mal anzukommen.
Der Ausflug in die Oberschicht währt aber nur kurz, denn ICH wird zurückgezerrt in seine Unterschichten-Welt. ICHs Vater stirbt, und ICH hat das Erbe zu verteilen: einen Fernseher, eine Waschmaschine, ein Leben. ICHs Vater war Gerüstbauer, Schornsteinfeger, Briefsortierer, Lagerarbeiter bei Netto, er trank Bier, las die BILD und onanierte im Sessel, der nach Mettwurstbrot roch. Mit Rowenta, Heinz und dem Versicherungsagenten Jürgen versucht ICH, das Leben seines Vaters Revue passieren zu lassen. Und so "baden" alle fünf in einem Meer banaler Erinnerungen, die gerade einmal von einem Waschmaschinenwasserschaden bis zu einem unnötigen Telekomvertragsabschluss reichen.
Oliver Klucks Text erzählt vordergründig eine Vater-Sohn-Geschichte, vor allem aber liefert er eine Milieustudie, die den Oberschicht-Unterschicht-Dualismus beleuchtet, und hier eine Generation von Vater-Männern beschreibt, die nach dem Krieg vaterlos aufgewachsen ist – was ihr und vor allem ihren Söhnen zum Verhängnis wird. Klucks Text ist düster, wütend und voller schlechter Laune – langatmig. Der Ton ist sarkastisch, aggressiv, voller Empörung und Wut. Klucks Text-Ich ist gefangen in dieser regressiven Empörung, die ihn komplett ausbremst, hilflos und sarkastisch macht. Hier spricht einer, der sich so übermäßig groß macht, weil er sich so übermäßig klein fühlt.
Diese komplexe Geschichte wird in dem Stück von Alice Buddeberg nicht erzählt. Auch ist der Ton des Stückes durchweg komisch, die Bebilderung sowieso: Väter trägt Windeln, der Versicherungsagent Jürgen versinkt in einem Schaumstofffettschichtanzug. Diese enorme Diskrepanz zwischen "Text" und "Stück" ergibt sich aus den vielen Textänderungen, die das Regieteam der Frankfurter Uraufführung vorgenommen hat.
Vergleicht man die Textfassung des Schauspiel Frankfurt mit dem Text von Oliver Kluck Zeile für Zeile, so fällt auf, dass von Anfang an gravierende Textkürzungen vorgenommen worden sind. Absatzweise wurde hier gestrichen, umgebaut, ausgekoppelt, um wieder neu zusammenzufügen: Es entsteht der Eindruck, der Text sei in einzelne Textbausteine zerlegt worden, um sie dann wieder frei zu montieren. Mitunter geht diese Montagetechnik auch satzweise vor. Fließtext wurde darüber hinaus dramatisiert, Szenen neu angeordnet und neu verquickt.
Die Kürzungen betreffen auch die zentrale Schlussszene, in der Kluck aus einer Szene aus dem Dokumentarfilm "Durch die Nacht mit Michel Friedman" zitiert. Es handelt sich dabei um einen Klassiker der Sendereihe, weil Friedman hier in selbstgefälliger Weise über seine Selbstliebe spricht.
Alice Buddeberg hat versucht, dem Hass und der Wut des Kluck’schen Textes mit Komik beizukommen. Keine schlechte Lösung, weil Wut immer auch eine komische Seite hat, die, wenn man sie hervorhebt, therapeutisch helfen kann, die Wut auszuhalten. In diesem Ansatz zeigt sich eine Reife, die über Oliver Klucks Wutaufstampfen hinausgeht. Und so entsteht durchaus ein stimmiges Buddeberg-Stück, das sich dann aber zunehmend in einer Komik versteigt, die die Wut mit Lachen zuschüttet. Wenn sich etwa der Versicherungsagent Jürgen am Ende aus seiner Schaumstofffettschicht zwängt, um sich – nackt - mit Goldfarbe einzuschmieren. Buddebergs Stück ist unterhaltsam, komisch, es ist handwerklich sehr gut gemacht und als Erzählung einer Vater-Sohn-Geschichte irgendwie nett. Aber es hat mit Klucks Text gar nichts zu tun.
Weil Alice Buddeberg die Wut klein macht, weil sie den großen Komplex der dem Stück eingeschriebenen Holocaust-"Aufarbeitung" ausblendet, die wichtig ist, um diese Vater-Männer zu verstehen, reduziert sie es. Das Stück ist ein Kompromiss, bei dem der Autor verliert.
Oliver Kluck könnte aber gewinnen, wenn er sich das Stück einmal anschaute, um zu sehen, dass Wut nicht zur starren Pose verkommen muss, dass gerade Wut Kompromisse braucht, die man sich - wie in diesem Fall und leider so oft - sehr schmerzlich erarbeiten muss. Aber natürlich ist das Theater keine Abspielstation von Texten, die man beliebig konfektionieren kann.