Theatralische Religionsstunden
Gibt es noch Wahrheit, wie es Gottes 8. Gebot – "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten" - fordert, oder ist Wahrheit heute zur bloßen Meinung relativiert? Im Wiener Schauspielhaus werden bis Ostern Woche für Woche Gottes zehn Gebote von zehn Dramatikern befragt.
Ewald Palmetshofer, der auch als Kurator und Dramaturg die gesamte Reihe betreut, machte den Anfang und nahm die Vorgabe philosophisch ernst: Keine moralische Empörungsdramatik also über Lüge und Falschheit, sondern Sprachspiele mit "Wahrheitsdiskursen" der Gegenwart.
Ausgangspunkt ist die "Wahrheitsrede" des dritten österreichischen Nationalpräsidenten der extrem rechten österreichischen Freiheitlichen Partei (FPÖ), Richard Graf, den "Wahrheitsfanatiker" politisch in Bedrängnis gebracht hatten. Doch "Seine Präsidentschaft" weiß neben dem Guten und Schönen schließlich auch das Wahre als "freie" Meinung und als "Tochter der Zeit" für sein Amt zu integrieren. Palmetshofer spielt darüber hinaus skurril durch, wie die "Wahrheitsreden" über den Fernseher buchstäblich in die Herzen der Menschen geraten: Am Sofa beim Hühnchenessen geht plötzlich einem Bürger sein Herz durch die Wahrheitsrede des Präsidenten auf; er erbricht es als Herzwurst.
Mit Meinungen und Diskursen, statt mit "Wahrheiten" zu spielen, ist wohl auch ein Kennzeichen des "postdramatischen" Theaters, für das auch Palmetshofer ein Beispiel abgeben mag. Die vier Schauspieler in "Herzwurst" spielen keine fest konturierten Rollen, sie wechseln zwischen Präsidentenberater, Fernsehfiguren und Figuren aus dem Volk; manchmal erzählen sie über die Figuren, dann repräsentieren sie sie oder sind Sprachrohr von "präsidialen" Meinungen.
An den weiteren Verlauf der X-Gebote-Serie darf man jedenfalls große Erwartungen stellen. Das Wiener Schauspielhaus hat dafür eine Art Kapelle mit Kirchenbänken als Theaterraum eingerichtet. Und da in der Eröffnungsinszenierung von Sebastian Schusg - trotz kurzer Probezeiten, denn nächste Woche ist schon das neunte Gebot dran - äußerst präzise und lustvoll agiert wird, wird sich sicherlich bald eine Gemeinde finden, die regelmäßig Woche für Woche zu den theatralischen Religionsstunden pilgert. Die Theatersoap, vom Wiener Schauspielhaus nun schon in der dritten Spielzeit erprobt, ist jedenfalls ein Format, das Nachmachung verdient und auch anderswo Zuschauer über einen längeren Zeitraum an ein Theater binden könnte.
Ausgangspunkt ist die "Wahrheitsrede" des dritten österreichischen Nationalpräsidenten der extrem rechten österreichischen Freiheitlichen Partei (FPÖ), Richard Graf, den "Wahrheitsfanatiker" politisch in Bedrängnis gebracht hatten. Doch "Seine Präsidentschaft" weiß neben dem Guten und Schönen schließlich auch das Wahre als "freie" Meinung und als "Tochter der Zeit" für sein Amt zu integrieren. Palmetshofer spielt darüber hinaus skurril durch, wie die "Wahrheitsreden" über den Fernseher buchstäblich in die Herzen der Menschen geraten: Am Sofa beim Hühnchenessen geht plötzlich einem Bürger sein Herz durch die Wahrheitsrede des Präsidenten auf; er erbricht es als Herzwurst.
Mit Meinungen und Diskursen, statt mit "Wahrheiten" zu spielen, ist wohl auch ein Kennzeichen des "postdramatischen" Theaters, für das auch Palmetshofer ein Beispiel abgeben mag. Die vier Schauspieler in "Herzwurst" spielen keine fest konturierten Rollen, sie wechseln zwischen Präsidentenberater, Fernsehfiguren und Figuren aus dem Volk; manchmal erzählen sie über die Figuren, dann repräsentieren sie sie oder sind Sprachrohr von "präsidialen" Meinungen.
An den weiteren Verlauf der X-Gebote-Serie darf man jedenfalls große Erwartungen stellen. Das Wiener Schauspielhaus hat dafür eine Art Kapelle mit Kirchenbänken als Theaterraum eingerichtet. Und da in der Eröffnungsinszenierung von Sebastian Schusg - trotz kurzer Probezeiten, denn nächste Woche ist schon das neunte Gebot dran - äußerst präzise und lustvoll agiert wird, wird sich sicherlich bald eine Gemeinde finden, die regelmäßig Woche für Woche zu den theatralischen Religionsstunden pilgert. Die Theatersoap, vom Wiener Schauspielhaus nun schon in der dritten Spielzeit erprobt, ist jedenfalls ein Format, das Nachmachung verdient und auch anderswo Zuschauer über einen längeren Zeitraum an ein Theater binden könnte.