"Wir werden immer 'gegen' sein"
Sie erfanden das Laut- und das Simultangedicht, die Publikumsbeschimpfung und die Polit-Kunst-Performance. Als im Februar 1916 die Dadaisten in Zürich die ehrwürdigen Säulen der Kunst durch unerhört nihilistische Kleinkunst pulverisierten, legte sich Europa gerade in Schutt und Asche.
"Man sollte aus einer Laune nicht eine Kunstrichtung machen", notierte Hugo Ball jedoch schon wenige Wochen nach dem Eröffnungsabend im Cabaret Voltaire, und 1922 begruben die Dadaisten die Mischung aus Buffonade und Totentanz offiziell: In ihren Augen war Dada vorbei.
Hugo Ball wurde radikal katholisch, andere Mitstreiter radikal egoistische Künstler im Kunstmarkt. Aber der Boden, auf dem Avantgarde und belanglose Epigonenkunst gleichermaßen tanzen konnten, war bereitet. Wo das Prinzip Einfall über das Prinzip Arbeit siegt, scheint Kunst mühelos herstellbar und zugänglich zu sein.
Dada gehört zu den wirkmächtigsten Kunstentwicklungen des 20. Jahrhunderts. Inzwischen weiß man, dass Dada nicht minder eigenwillige Vorläufer in der künstlerischen Bohème Europas hatte: Christian Morgensterns kabarettistische Lautgedichte etwa oder Jaroslav Hašeks Prager 'Partei des maßvollen Fortschritts in den Schranken der Gesetze', die die Politperformance von Martin Sonneborns 'Die Partei' im EU-Parlament vorwegnahm. Hašek bekam damals nur zwei Dutzend Wählerstimmen. Wie die Dadaisten konnte er noch voll und ganz 'gegen' sein. Heute wird Gegenkunst ohne Wenn und Dada von der Gesellschaft vereinnahmt.
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