"Der einzige Unterschied ist: Ich habe ein Chromosom mehr"
Die Schauspielerin Carina Kühne hat das Down-Syndrom. Sie ärgert sich darüber, dass sie als krank oder behindert gilt - und würde gern mal beim "Traumschiff" mitspielen. Einen Tauchschein hat sie schon.
Laura Gehlhaar: Plus eins: ein Chromosom mehr. Statt 46 hat sie 47 Chromosomen. Carina Kühne hat das Down-Syndrom, sie ist 32 Jahre alt, Schauspielerin, Bloggerin, Inklusionsaktivistin, und sie ist eine talentierte Frau, und mit so einer redet man ja besonders gern.
Wenn Sie sich jetzt fragen, Carina Kühne, muss ich die eigentlich kennen – ja, bestimmt, denn sie hat 2014 in dem Film "Be My Baby" die Hauptrolle gespielt, der mehrere Preise gewonnen hat. Guten Morgen, Carina Kühne!
Carina Kühne: Guten Morgen!
Liane von Billerbeck: Guten Morgen auch von mir!
Gehlhaar: Schön, dass Sie da sind! Sagen Sie mal, als Mensch mit Down-Syndrom, braucht man da besonders viel Selbstbewusstsein?
Wichtig für alle Menschen: Selbstbewusstsein
Kühne: Ja, also ich denke schon. Eigentlich ist es ja wichtig für alle Menschen: Selbstbewusstsein, und was natürlich auch wichtig ist für Menschen mit Down-Syndrom, ist leider immer noch, dass man ihnen nichts zutraut, und das finde ich natürlich ein bisschen schade.
Ich denke, deshalb bin ich auch froh, dass ich lesen, schreiben und rechnen kann. Dadurch habe ich natürlich auch mehr Lebensqualität und natürlich auch Selbstbewusstsein.
Gehlhaar: Und Sie kommen ja auch aus einer sehr musikalischen Familie, wie ich gelesen habe. Sie spielen Flöte und Klavier und haben sogar einen Tauchschein. Das klingt, als sei das alles ganz einfach gewesen für Sie. War das auch so? Hat Ihnen Ihre Umwelt das immer so alles zugetraut oder gab es da eben auch Vorbehalte?
Kühne: Schon. Eigentlich fühle ich mich ja nicht anders. Ich habe auch die gleichen Wünsche und Bedürfnisse wie alle Menschen. Der einzige Unterschied ist, ich habe halt ein Chromosom mehr, also nicht 46, sondern 47 Chromosomen, aber ansonsten … Also meine Familie hat mich ansonsten sehr gefördert, mich auch sehr gelobt. Das ist natürlich was sehr Schönes. Da habe ich dann natürlich auch den Ansporn.
Billerbeck: Sie sagen, Ihre Familie hat Sie sehr unterstützt. Ihre Familie hat es auch erkämpft, dass Sie auf eine ganz normale Schule gehen konnten. War denn Ihre Schulzeit auch normal oder hatten Sie besondere Schwierigkeiten? Mussten Sie sich besonders anstrengen?
Die Klassenlehrerin wollte sie auf die Sonderschule geben
Kühne: Ich denke, durch meine Klassenlehrerin. Ich habe zwar das Down-Syndrom, aber sie hat immer auch das Down-Syndrom hervorgehoben, und ich finde das nicht so schön. Ich bin sonst gut mitgekommen mit meinen Schülern, meinen Klassenkameraden, aber es hat sonst immer an meiner Klassenlehrerin gelegen. Das war natürlich nicht so schön. Wie gesagt, die hat uns unmöglich gemacht, und das war nicht so schön. Die wollte mich an eine Sonderschule abgeben. Ich hatte zwar eine Zwangseinweisung in die Sonderschule gehabt, und die wollte mich in die Sonderschule abgeben, was wir natürlich nicht wollten.
Gehlhaar: Und Behinderung …
Kühne: Wenn ich Rechenaufgaben hatte, dann habe ich die auch mitgemacht, und wenn ich dann mitgemacht habe ...
Gehlhaar: Behinderung – ich kenne das auch von mir selber – erzeugt ja oft Reaktionen wie Mitleid. Dann kommen irgendwie so Sätze wie "Ach, die Arme, die trägt aber auch ihr Schicksal tapfer" et cetera. Kennst du sowas auch?
Kühne: Ja. Ehrlich, das finde ich natürlich auch nicht so schön. Also immer nur mitleiden, das finde ich nicht schön. Vor allen Dingen, der Satz gefällt mir, ehrlich gesagt, auch nicht so richtig, "Ach, die Arme, sie trägt ihr Schicksal aber tapfer". Das finde ich natürlich auch nicht so schön. Was mich sehr ärgert ist, dass das Down-Syndrom eine Krankheit ist.
Das sehe ich nicht so, dass man leidet darunter. Das finde ich nicht so schön. Erstens ist es keine Krankheit, zweitens leide ich nicht darunter, sondern bin ein sehr glücklicher Mensch, und man leidet nicht unter dem Down-Syndrom. Man leidet ja nur unter der Ablehnung der Mitmenschen, also wegen der Chromosomenanomalie.
Billerbeck: Du bist ja Schauspielerin, Laura, und da muss man ja verschiedene Charaktere spielen, verschiedene Rollenfächer. Gibt es eine Rolle, die da auf der Wunschliste steht?
Das "Traumschiff" als Traum
Kühne: Ja, mein Traum war immer, ich wollte immer gerne beim "Traumschiff" mitspielen, und das fand ich natürlich sehr schön, weil ich ja auch einen Tauchschein habe. Ich könnte mir sowas gut vorstellen, so Dreharbeiten auf dem Schiff.
Billerbeck: Ich wiederhole das noch mal: Carina Kühne hat einen Tauchschein. Ich glaube, es gibt nicht so viele Menschen mit Down-Syndrom, die einen Tauchschein haben. Also das schreit ja gerade dazu, dass Sie in eine Gegend kommen, wo das Meer besonders klar ist und wo man gut tauchen kann in der Rolle.
Kühne: Ja, also zum Beispiel Malediven würden mich mal interessieren, das wäre natürlich ganz schön, oder Thailand. Ich denke, das wäre schon ganz toll. Aber was ich mir natürlich schon wünschen würde, dass ich mal nicht die Behinderte spielen müsste, aber das ist leider auch oft in ganz vielen Filmen, wo ich leider immer die Behinderte spielen muss. Das würde ich mir natürlich wünschen, einmal nicht die Behinderte zu spielen.
Billerbeck: Carina Kühne war das, Schauspielerin mit Down-Syndrom, hier bei uns im "Studio 9" am Donnerstagmorgen an unserem Thementag. Wir danken Ihnen, Frau Kühne!
Kühne: Das ging ja schnell!
Billerbeck: So ist das manchmal!
Gehlhaar: Dann war es schön!
Es ist normal verschieden zu sein
Kühne: Ich habe mich auch gefreut! Ich hätte noch ein schönes Zitat, und zwar von dem Richard von Weizsäcker, der hat gesagt: Es ist normal verschieden zu sein.
Gehlhaar: So ist es.
Billerbeck: Das ist ein gutes Schlusswort! Danke Ihnen, Frau Kühne! Schönen Tag noch!
Kühne: Danke auch!
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