Seltsamer Deal im Ländle
Baden-Württemberg und neun oberschwäbische Landkreise haben jahrzehntelang Atomstrom verkauft – als Hauptaktionäre des Energiekonzerns EnBW. Vor der Entsorgung des Atommülls wollen die EnBW-Eigentümer sich drücken - und haben sich selbst entmachtet.
Wer etwas bestimmen kann, der ist darauf normalerweise stolz und macht Gebrauch von seiner Macht. Nicht so bei Deutschlands drittgrößtem Energiekonzern EnBW und dessen beiden Hauptaktionären – dem Land Baden-Württemberg und dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke OEW. Ein Verbund, der aus neun oberschwäbischen Landkreisen gebildet wird und der, wie das Land Baden-Württemberg, 46,75 Prozent der Anteile der EnBW AG hält. Gemeinsam haben beide über 90 Prozent der Stimmen.
Doch auf diese Konzern-beherrschende Stellung ist das Aktionärsduo derzeit alles andere als stolz. Im Gegenteil, denn die Macht bei der EnBW bringt unkalkulierbare finanzielle Risiken.
Der Grund: Im Deutschen Bundestag wird darum gerungen, wer wie viel der Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung radioaktiver Abfälle zahlen soll. Ein Nachhaftungsgesetz soll verhindern, dass Betreiber von Atomkraftwerken sich aufspalten oder in die Insolvenz gehen, um Haftungsansprüchen zu entgehen.
Für die EnBW, und damit das Land und die neun Landkreise, birgt das neue Gesetz in seiner derzeitigen Variante Sprengstoff. Künftig könnten nicht nur die Betreiber von Atomkraftwerken, sondern auch deren beherrschenden Hauptaktionäre für mögliche Zahlungsausfälle bei der Endlagerung mithaften.
Süddeutsche Bürger werden geschützt
Zu viel Risiko, befanden die Verantwortlichen im Südwesten, und zogen – wenig beachtet von der Öffentlichkeit- die Reißleine. Sie kündigten die erstmals im Jahr 2000 getroffene Aktionärsvereinbarung auf – mit der beide die EnBW bisher kontrollieren konnten. Ohne Abstimmung, keine Konzernbeherrschung – so das Kalkül der Selbstentmachtung. In einer Pressemitteilung hieß es:
"Die Auflösung der Vereinbarung ist die einzige Möglichkeit, um diese Haftung zu vermeiden und damit einen möglichen Schaden vom Land Baden-Württemberg und den neun OEW-Landkreisen abzuwenden."
Nicht wenige glauben, dass hier süddeutsche Bürgerinnen und Bürger geschützt werden – auf Kosten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in ganz Deutschland.
Für Julian Aicher, der für die Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg die Energieszene im Ländle beobachtet, ist das Politik nach Sankt-Florians-Prinzip. Nach mir die Sinnflut:
Julian Aicher: "Es wirkt doch so, als ob es ein Geschmäckle hätte. Denn es geht letztlich um die Frage, wer bezahlt. (…) Und ich denke, wenn ein Stromkonzern Müllprobleme hat, dann soll er sich genauso verhalten wie jede Hausfrau und jede Familie, nämlich die Müllgebühr bezahlen, und dafür sorgen, dass das Problem in irgendeiner Weise gelöst wird."
Landrat Heinz Seiffert, Chef des OEW-Zweckverbands und damit mitverantwortlich für das Müllproblem des Konzerns, war für eine Stellungnahme nicht zu haben. Anfang Januar zeigte sich der Landrat des Alb-Donau-Kreises redefreudiger. Er ließ die Deutsche Presseagentur wissen, dass er sich eine Atommüll-Endlagerung nur im Ausland vorstellen könne. Er glaube nicht, dass die Politik hierzulande einen geologisch geeigneten Standort für ein Endlager durchsetzen könne. Unerwähnt ließ Seiffert, dass viele Experten just in seinem Landkreis einen aussichtsreichen Endlagerstandort in Donau-Nähe vermuten. Julian Aicher:
Aicher: "Es drängt sich doch auf, dass das die Geisteshaltung ist: Da ist ein Problem, ich möchte es wegschieben. Ich möchte da nicht genau hinschauen."