"Ich war nun also in Bethanien eingerückt"
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1848 tritt Theodor Fontane eine Stelle als Apotheker und Ausbilder am Krankenhaus Bethanien in Berlin an. "Meine angenehmsten Tage", notiert er in seinen Erinnerungen. Die Krankenhaus-Apotheke ist mit vollständiger Original-Ausstattung erhalten.
Michael Dewey: "Es ist schon ein bisschen erstaunlich, dass er hier eine Stelle bekommen hat. Denn das Krankenhaus war ja eine Gründung von König Friedrich Wilhelm IV., und das Krankenhaus wurde im Herbst 1847 eröffnet, und die Berliner waren dem König nicht sehr dankbar für das Krankenhaus, die haben ein paar Monate später die Revolution gegen den König gemacht.
Fontane hat mitgemacht im März 1848. Umso erstaunlicher ist, dass er hier eine Stelle bekommt. Ich glaube, das hängt zusammen mit Fontanes Mutter, die war eine fromme Frau, und stand in guter Beziehung mit dem Pfarrer dieses Krankenhauses."
Ganz weit öffnet Michael Dewey, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kreuzberg-Museums, die Glastür zur ehemaligen Apotheke. Alles ist in der alten Apotheke noch so wie zu Fontanes Zeiten beziehungsweise wurde mit Originalen aus anderen Apotheken ergänzt. Alte Waagen, Glasstößel, Kampferschubladen, Gefäße verschiedenster Größe, Pipetten, Rührtöpfe. Vergisst man alles um sich herum, gelingt der Sprung ins Jahr 1848 hier leicht.
Und auch das Krankenhaus selbst, dessen alte Funktion noch leicht erkennbar ist, hilft dabei. Das Haus, das noch vom preußischen Architekten und Schinkel-Schüler Ludwig Stüler entworfen und gebaut wurde, ist heute ein lebendiger Ort der Kunst.
Michael Dewey: "Hier sind zwei Galerien im Haus, hier ist eine Musikschule, viele Künstler haben hier ihre Werkstätten oder Studios im Haus, das heißt, hier ist sehr viel Publikumsverkehr."
Die Flure sind hell gestrichen, es hallt überall in den ehemaligen Krankentrakten, wenn man zur alten Fontane-Apotheke geht. Die wird viel besucht.
"Wir haben geöffnet Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Also es kommen Fontane-Freunde, aber es kommt auch sehr viel Laufkundschaft, weil es ist ja heute ein Haus der Künste. Die Leute kommen auch so einfach mal aus Neugierde hier rein, und gucken, was war hier drin. Wir können uns eigentlich über zu wenig Publikum nicht beklagen."
Hier fällt ein entscheidender Entschluss
Im Herbst 1848 war der noch keine 30 Jahre alte Theodor Fontane nicht nur froh, hier arbeiten zu dürfen, sondern hier reifte auch ein Entschluss heran.
"Er hat ja an vielen Orten als Apotheker gearbeitet, aber hier in Bethanien, das war seine letzte Apothekerstelle, danach hat er als Reporter für Zeitungen gearbeitet. Da war er schon ein bisschen näher dran an dem, was er eigentlich machen wollte."
"Meine Übersiedlung in meine neue Stellung fand gerade an jedem Nachmittag statt, wo Bürgerwehr und Volk auf dem Köpenicker Feld herumbattaillierten, so dass ich – ich war mit einemmale in einer Schützenlinie – unter Fliegengeknatter meinen Einzug ins Bethanien hielt. Ich hatte von dem Ganzen den Eindruck einer Spielerei gehabt, was es aber doch eigentlich nicht war."
Michael Dewey: "Er hatte zwei Aufgaben hier im Krankenhaus. Er hat die Krankenhausapotheke versehen, das war damals noch nicht so furchtbar viel Arbeit, weil das Krankenhaus noch neu war, und man noch nicht genügend Diakonissen ausgebildet hatte, und das Krankenhaus dadurch noch nicht voll belegt war mit Kranken. Und er hat zwei Diakonissen zu Pharmazeuten ausgebildet. Und die beiden Frauen, die wurden von zu Hause versorgt mit Fresspaketen, und die haben ihn dann bewirtet. Also das muss ein sehr angenehmer, schöner Unterricht gewesen sein."
Vom Ausbilder zum Schriftsteller
Das war mehr als angenehm, sagt Roland Lampe, es war ein "Sonnenstrahl des Glücks". So ist auch der Titel seines in Kürze erscheinenden Buches zu Theodor Fontane im Krankenhaus Bethanien.
"Es ist ja das erste Mal gewesen, dass Diakonissen zu Apothekerinnen ausgebildet wurden, das gab es vorher noch nicht. Und es gab auch keine Vorschriften, wie diese Prüfungen abzulaufen hatten. Das musste erst noch alles geschaffen werden. Mit dem Diakonissenhaus in Bethanien sollte ja ein Musterbeispiel geschaffen werden."
"Es ging alles ganz vorzüglich, was an dem guten Willen und der großen Gelehrigkeit meiner zwei Schülerinnen lag. Aber ein bestimmtes Verdienst kann ich mir doch auch selber zuschreiben und zwar DAS Verdienst, dass ich selber so wenig wusste. Das ist immer ein großer Segen. Je weniger man weiß, je leichter ist es, das, was man zu sagen hat, in Ordnung und Übersichtlichkeit zu sagen."
Fontanes Schülerinnen wurden nicht nur glänzende Apothekerinnen, sie machten sogar später in der Leitung großer Krankenhäuser Karriere. Und Theodor Fontane veröffentlichte in den letzten Monaten seiner Apothekerarbeit am Bethanienhaus sein erstes Buch: "Männer und Helden – acht Preußenlieder." Die Arbeit als Apotheker war nun für ihn Vergangenheit.