"Theodor Fontane: Der Romancier Preußens"

Mit 60 zum Erfolgsschriftsteller

Cover von Hans Dieter Zimmermanns Buch "Theodor Fontane". Im Hintergrund fliegen Kraniche im letzten Tageslicht über das Poldergebiet an der Westoder.
Erst mit knapp 60 fing Fontane an Romane zu schreiben, vorher war er Apotheker und feierte erste Erfolge als Balladendichter und Kriegsberichterstatter. © C. H. Beck / dpa / picture-alliance
Von Edelgard Abenstein |
Erst mit knapp 60 fing Fontane an Romane zu schreiben, vorher war er Apotheker und Journalist. Bis zu seinem Tod schrieb er noch 17 Romane. Zimmermanns solide und sachliche Biografie erzählt von dem Werdegang des Romanciers.
Es ist Fontane-Jahr. Auch wenn sich der Geburtstag des Schriftstellers erst am 30. Dezember 2019 zum zweihundertsten Mal jährt, wird schon jetzt mit einer Flut von Biografien an ihn erinnert. Die jüngste stammt von einem Literaturwissenschaftler, der – wie der Untertitel nahelegt – Fontanes Romane ins Zentrum stellt.
Nun hat jedes Fontane-Porträt mit dem Umstand zu tun, dass die Karriere des einzigen deutschen Romanciers aus jener Epoche, der weltberühmt wurde, erst spät beginnt. "Effi Briest", "Schach von Wuthenow", "Der Stechlin" sind Meisterwerke eines älteren Herrn. Warum es so lange gedauert hat, ehe der gelernte Apotheker mit knapp 60 loslegte, um bis zu seinem Tod beinahe alljährlich nacheinander 17 Romane zu schreiben, dem geht Hans Dieter Zimmermann in seinem Buch nach.

Vom Apotheker zum geschäftstüchtigen Romancier

Wie die meisten seiner Vorgänger verfährt auch Hans Dieter Zimmermann chronologisch, von der kargen Kindheit in Neuruppin, der Ausbildung zum Apotheker, ersten Erfolgen als Balladendichter bis zum Journalisten Fontane, der sich vier Jahrzehnte lang teils als festangestellter, teils freier politischer Korrespondent, Kriegsberichterstatter, als Reiseschriftsteller, Theater-, Kunst-, Literaturkritiker einen Namen machte.
Zimmermann zeigt Fontane als einen lebenslang Schreibenden. Dabei bezieht er sich immer auf dessen Bücher, angefangen mit den autobiografischen Schriften über Kindheit und Jugend. Und er zeigt ihn als einen Zeitungsmenschen, der überall am Puls der Zeit horcht, und da ganz nebenbei schon Plots für sein späteres literarisches Werk sammelt. Welchen Geschäftssinn er besaß, wird deutlich an den Publikationsformen. Ehe die Romane als Bücher erschienen, verwertete er sie als – weitaus besser bezahlte – Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen.

Sachlich und solide

Im Wesentlichen stützt sich der Autor auf Biografien aus den 1960er- und 1970er-Jahren; weniger als um einen eigenen Forschungsbeitrag haben wir es hier mit einer sachlich und solide – und gelegentlich detailliert, allzu detailliert – erzählten Einführung zu tun. Spekulationen und psychologisierenden Momente, wie sie heute in der biografischen Literatur üblich sind, findet man bei Zimmermann nicht; freilich auch nicht, und das ist schade, einen großen aktualisierenden Bogen, der uns Fontane jenseits der Rolle als Klassiker wirklich nahe brächte.
Immerhin ein Drittel der Biografie ist den Romanen gewidmet. Beginnend mit "Vor dem Sturm", Fontanes Erstling, fädelt Zimmermann mit prägnanten Inhaltsangaben ein Werk nach dem anderen auf, was durchaus Lust darauf macht, eines davon oder mehrere zum ersten Mal – oder wieder – zu lesen.
Vor allem aber arbeitet er übergeordnete Charakteristika und Motive heraus und schafft so einen Werküberblick: Ehebruch, Mésalliancen, die Rolle der Frauen. Im Vergleich mit zeitgenössischen Romanen werden stilistische und inhaltliche Besonderheiten verdeutlicht, die unübertroffene Technik der Dialogführung etwa, womit es Fontane gelang, das Genre des Gesellschaftsromans hof- und salonfähig zu machen. So steht uns am Ende Fontane als Repräsentant einer Epoche vor Augen, der den preußischen Roman in den Rang von Weltliteratur erhob.

Hans Dieter Zimmermann: "Theodor Fontane. Der Romancier Preußens"
C. H. Beck Verlag, München 2019
458 Seiten, 28 Euro