Theologe Huber: Reformationsjubiläum 2017 wird ökumenisches Jahr
In fünf Jahren feiern die Protestanten das 500-jährige Bestehen ihrer Kirche, die sich auf die Lehren des Theologen Martin Luther gründet. Geplant ist "ein evangelisches Fest, zu dem aber ökumenisch eingeladen wird", erklärt der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber.
Gabi Wuttke: Die Reformation gehört allen – so heißt es derzeit in Timmendorfer Strand, wo die Synode der evangelischen Kirche tagt. Denn man ist in Vorbereitung auf das Jahr 2017, an dem sich zum 500. Mal jähren soll, dass Martin Luther seine Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug. Wird dieses Jubiläums gedacht oder wird es gefeiert werden?
Bei der EKD-Jahrestagung war auch Wolfgang Huber, der als Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche vor fünf Jahren eine Reformationsdekade ausgerufen hatte. Ich wollte von ihm wissen, ob er mit seinem Nachfolger Nikolaus Schneider mitgeht, der dazu aufgerufen hat, sich auch Luthers Hasstiraden und damit der Scham- und Schuldgeschichte zu stellen.
Wolfgang Huber: Da gehe ich mit. Ich habe auch schon bei der Eröffnung der Reformationsdekade deutlich gesagt, dass es nicht eine beweihräuchernde Erinnerung an Martin Luther geben kann, sondern dass wir dieser großen historischen Gestalt mit ihren inneren Widersprüchen gedenken, dass es aber auch gar nicht so sehr um die Gestalt von Martin Luther allein geht, sondern um die reformatorische Bewegung, die von ihm angestoßen, aber von anderen aufgenommen worden ist. Und diese reformatorische Bewegung, ihre aktuelle Bedeutung und das Zukunftspotential, das in ihr steckt, das ist eigentlich das Thema, um das es gehen muss.
Wuttke: Kann sich in diesen Tagen an der Ostsee denn klären, ob die Protestanten Luther 2017 nun feiern oder seiner gedenken werden?
Huber: Sie werden die Reformation feiern, und zwar in einem, wie sich abzeichnet, fröhlichen, weltoffenen und zugleich auf den Kern des christlichen Glaubens konzentrierten Fest. Das zeichnet sich in einer sehr beeindruckenden Weise ab, über die ich mich natürlich sehr freue, und ich freue mich über alle ökumenischen Dialoge, die sich an dieses Ereignis knüpfen. Dabei ist klar, dass die römisch-katholische Perspektive auf dieses Ereignis eine andere ist als die evangelische Perspektive. Insofern wird es ein evangelisches Fest, zu dem aber ökumenisch eingeladen wird.
Wuttke: Wird man denn diese Einladung unter der Voraussetzung annehmen?
Huber: Ganz bestimmt, das ist ja auch hier deutlich zu sehen, dass der Dialog an Intensität gewinnt. Wenn man hier sieht, dass in Timmendorfer Strand zunächst der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewesen ist, Alois Glück, mit einer großen und ökumenisch sehr offenen Rede, und dass anschließend der Erzbischof von Hamburg da gewesen ist, dann spürt man, wie viel Interesse an diesem Dialog und an der Beteiligung an diesen Überlegungen vorhanden ist.
Wuttke: Von der katholischen Bischofskonferenz ist Gerhard Feige kürzlich zum Vorsitzenden der Ökumene-Kommission berufen worden. Er hofft, Herr Huber, die evangelische Kirche würde sich der katholischen Verwurzelung Luthers bewusster, das klingt jetzt nicht nach fröhlichem Feiern.
Huber: Also dass die Kirchen der Reformation katholische Kirchen sind, die durch die Reformation gegangen sind, und dass man das auch an der Lebensgeschichte von Martin Luther sehen kann, das ist ja vollkommen unstrittig. So muss man auch im Blick auf die römisch-katholische Kirche ja darauf hinweisen, dass auch sie sich angesichts der Reformation verändert hat, aber sie hat sich nicht so verändert, dass sie damals den reformatorischen Impuls in sich aufnehmen konnte, was Martin Luthers Intention war. Er wollte ja nicht eine neue Kirche gründen, sondern die eine Kirch erneuern.
Und auch da hat sich ja manches bewegt und entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass wir zum zentralen Thema der Reformation, nämlich der Lehre von der Rechtfertigung des Menschen allein durch Gottes Gnade, eine gemeinsame Erklärung verabschieden konnten im Jahre 1999, und wir bereiten das Reformationsjubiläum natürlich auch vor im Bewusstsein, dass dieser Schritt miteinander begangen werden konnte.
Wuttke: Inwiefern konnte er miteinander gegangen werden, wenn man sich natürlich prinzipiell die Frage stellt, ob das Reformationsjubiläum den Neubeginn der evangelischen Kirche markiert oder die Reform eines Teils der katholischen Kirche?
Huber: Also es ist richtig, dass die Intention der Reformation, die katholische Kirche zu erneuern, an der Abwehr auch der römisch-katholischen Kirche gescheitert ist, aber dadurch bleibt der reformatorische Impuls ja wichtig. Er hat dazu beigetragen, dass der christliche Glaube als eine Freiheitsbotschaft in die Moderne getragen wurde. Es hat eine besondere Verbindung auch zwischen Protestantismus und Aufklärung möglich gemacht, und deswegen kann man den Weg der evangelischen Kirchen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Glaubensspaltung ansehen, sondern man muss ihn zugleich ansehen unter dem Gesichtspunkt, dass neue Impulse im Verständnis des Evangeliums dabei sich gezeigt haben und zur Geltung gefunden haben.
Wuttke: Sie haben vor fünf Jahren diese Reformationsdekade ausgerufen, jetzt stehen wir alle sozusagen in der Halbzeit. Wenn man sich ansieht, wie die katholische Kirche derzeit positioniert ist, was macht Sie so optimistisch?
Huber: Zunächst einmal ist es ja nicht so, dass die nächste Halbzeit der Dekade voraussetzt, dass wir in allen Themen gemeinsam vorangehen, ja. Aber ich bin ganz sicher, wenn wir im Jahre 2015 das Thema "Bild und Bibel" haben, dann wird es da ganz viele ökumenische Aktivitäten geben, und im Rhythmus der Veranstaltung für das Jahr 2017 selbst, die jetzt vorbereitet werden, bin ich ganz sicher, dass wir da in vielen Punkten ökumenisch zusammenwirken werden. ich sehe überhaupt nicht, dass man da irgendeinen Grund zur Kleinmütigkeit hätte.
Wuttke: Die Kleinmütigkeit, liegt die unter Umständen nicht in der deutschen katholischen Bischofskonferenz begründet, sondern im Vatikan?
Huber: Das spielt natürlich auch eine Rolle, zumal wir ja nicht eine deutsche Veranstaltung vorbereiten, wir gehen aus von der Tatsache, dass die Reformationen in Deutschland begonnen haben, aber wir wissen, dass sie ein weltweites Ereignis gewesen ist, und wir sind von daher auch nicht nur daran interessiert, wie die deutsche Bischofskonferenz und der deutsche Laienkatholizismus darauf reagieren, sondern natürlich auch an der Frage, wie die katholische Weltkirche sich dazu verhält. Unter dem Gesichtspunkt ist es ja sehr bemerkenswert gewesen, dass in den vergangenen Tagen auch der Ökumeneverantwortliche des Vatikans, Kardinal Koch, hier in Timmendorfer Strand gewesen ist, mit dem es intensive und sehr interessante auch theologische Diskussionen auch gegeben hat, und das wird natürlich auch weitergeführt.
Das bedeutet ja nicht, dass man sich in dieser Frage einig wird, es wird sich im Zusammenhang der Reformationsdekade und des Jubiläums auch zeigen, dass es nachvollziehbare Gründe dafür gibt, warum katholische und evangelische Kirche sich voneinander unterscheiden.
Wuttke: Noch fünf Jahre bis zum Lutherjahr 2017, dazu im Interview der "Ortszeit" vom Deutschlandradio Kultur Wolfgang Huber, von 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der EKD. Ich danke Ihnen sehr, Herr Huber!
Huber: Ich bedanke mich auch sehr herzlich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Bei der EKD-Jahrestagung war auch Wolfgang Huber, der als Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche vor fünf Jahren eine Reformationsdekade ausgerufen hatte. Ich wollte von ihm wissen, ob er mit seinem Nachfolger Nikolaus Schneider mitgeht, der dazu aufgerufen hat, sich auch Luthers Hasstiraden und damit der Scham- und Schuldgeschichte zu stellen.
Wolfgang Huber: Da gehe ich mit. Ich habe auch schon bei der Eröffnung der Reformationsdekade deutlich gesagt, dass es nicht eine beweihräuchernde Erinnerung an Martin Luther geben kann, sondern dass wir dieser großen historischen Gestalt mit ihren inneren Widersprüchen gedenken, dass es aber auch gar nicht so sehr um die Gestalt von Martin Luther allein geht, sondern um die reformatorische Bewegung, die von ihm angestoßen, aber von anderen aufgenommen worden ist. Und diese reformatorische Bewegung, ihre aktuelle Bedeutung und das Zukunftspotential, das in ihr steckt, das ist eigentlich das Thema, um das es gehen muss.
Wuttke: Kann sich in diesen Tagen an der Ostsee denn klären, ob die Protestanten Luther 2017 nun feiern oder seiner gedenken werden?
Huber: Sie werden die Reformation feiern, und zwar in einem, wie sich abzeichnet, fröhlichen, weltoffenen und zugleich auf den Kern des christlichen Glaubens konzentrierten Fest. Das zeichnet sich in einer sehr beeindruckenden Weise ab, über die ich mich natürlich sehr freue, und ich freue mich über alle ökumenischen Dialoge, die sich an dieses Ereignis knüpfen. Dabei ist klar, dass die römisch-katholische Perspektive auf dieses Ereignis eine andere ist als die evangelische Perspektive. Insofern wird es ein evangelisches Fest, zu dem aber ökumenisch eingeladen wird.
Wuttke: Wird man denn diese Einladung unter der Voraussetzung annehmen?
Huber: Ganz bestimmt, das ist ja auch hier deutlich zu sehen, dass der Dialog an Intensität gewinnt. Wenn man hier sieht, dass in Timmendorfer Strand zunächst der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewesen ist, Alois Glück, mit einer großen und ökumenisch sehr offenen Rede, und dass anschließend der Erzbischof von Hamburg da gewesen ist, dann spürt man, wie viel Interesse an diesem Dialog und an der Beteiligung an diesen Überlegungen vorhanden ist.
Wuttke: Von der katholischen Bischofskonferenz ist Gerhard Feige kürzlich zum Vorsitzenden der Ökumene-Kommission berufen worden. Er hofft, Herr Huber, die evangelische Kirche würde sich der katholischen Verwurzelung Luthers bewusster, das klingt jetzt nicht nach fröhlichem Feiern.
Huber: Also dass die Kirchen der Reformation katholische Kirchen sind, die durch die Reformation gegangen sind, und dass man das auch an der Lebensgeschichte von Martin Luther sehen kann, das ist ja vollkommen unstrittig. So muss man auch im Blick auf die römisch-katholische Kirche ja darauf hinweisen, dass auch sie sich angesichts der Reformation verändert hat, aber sie hat sich nicht so verändert, dass sie damals den reformatorischen Impuls in sich aufnehmen konnte, was Martin Luthers Intention war. Er wollte ja nicht eine neue Kirche gründen, sondern die eine Kirch erneuern.
Und auch da hat sich ja manches bewegt und entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass wir zum zentralen Thema der Reformation, nämlich der Lehre von der Rechtfertigung des Menschen allein durch Gottes Gnade, eine gemeinsame Erklärung verabschieden konnten im Jahre 1999, und wir bereiten das Reformationsjubiläum natürlich auch vor im Bewusstsein, dass dieser Schritt miteinander begangen werden konnte.
Wuttke: Inwiefern konnte er miteinander gegangen werden, wenn man sich natürlich prinzipiell die Frage stellt, ob das Reformationsjubiläum den Neubeginn der evangelischen Kirche markiert oder die Reform eines Teils der katholischen Kirche?
Huber: Also es ist richtig, dass die Intention der Reformation, die katholische Kirche zu erneuern, an der Abwehr auch der römisch-katholischen Kirche gescheitert ist, aber dadurch bleibt der reformatorische Impuls ja wichtig. Er hat dazu beigetragen, dass der christliche Glaube als eine Freiheitsbotschaft in die Moderne getragen wurde. Es hat eine besondere Verbindung auch zwischen Protestantismus und Aufklärung möglich gemacht, und deswegen kann man den Weg der evangelischen Kirchen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Glaubensspaltung ansehen, sondern man muss ihn zugleich ansehen unter dem Gesichtspunkt, dass neue Impulse im Verständnis des Evangeliums dabei sich gezeigt haben und zur Geltung gefunden haben.
Wuttke: Sie haben vor fünf Jahren diese Reformationsdekade ausgerufen, jetzt stehen wir alle sozusagen in der Halbzeit. Wenn man sich ansieht, wie die katholische Kirche derzeit positioniert ist, was macht Sie so optimistisch?
Huber: Zunächst einmal ist es ja nicht so, dass die nächste Halbzeit der Dekade voraussetzt, dass wir in allen Themen gemeinsam vorangehen, ja. Aber ich bin ganz sicher, wenn wir im Jahre 2015 das Thema "Bild und Bibel" haben, dann wird es da ganz viele ökumenische Aktivitäten geben, und im Rhythmus der Veranstaltung für das Jahr 2017 selbst, die jetzt vorbereitet werden, bin ich ganz sicher, dass wir da in vielen Punkten ökumenisch zusammenwirken werden. ich sehe überhaupt nicht, dass man da irgendeinen Grund zur Kleinmütigkeit hätte.
Wuttke: Die Kleinmütigkeit, liegt die unter Umständen nicht in der deutschen katholischen Bischofskonferenz begründet, sondern im Vatikan?
Huber: Das spielt natürlich auch eine Rolle, zumal wir ja nicht eine deutsche Veranstaltung vorbereiten, wir gehen aus von der Tatsache, dass die Reformationen in Deutschland begonnen haben, aber wir wissen, dass sie ein weltweites Ereignis gewesen ist, und wir sind von daher auch nicht nur daran interessiert, wie die deutsche Bischofskonferenz und der deutsche Laienkatholizismus darauf reagieren, sondern natürlich auch an der Frage, wie die katholische Weltkirche sich dazu verhält. Unter dem Gesichtspunkt ist es ja sehr bemerkenswert gewesen, dass in den vergangenen Tagen auch der Ökumeneverantwortliche des Vatikans, Kardinal Koch, hier in Timmendorfer Strand gewesen ist, mit dem es intensive und sehr interessante auch theologische Diskussionen auch gegeben hat, und das wird natürlich auch weitergeführt.
Das bedeutet ja nicht, dass man sich in dieser Frage einig wird, es wird sich im Zusammenhang der Reformationsdekade und des Jubiläums auch zeigen, dass es nachvollziehbare Gründe dafür gibt, warum katholische und evangelische Kirche sich voneinander unterscheiden.
Wuttke: Noch fünf Jahre bis zum Lutherjahr 2017, dazu im Interview der "Ortszeit" vom Deutschlandradio Kultur Wolfgang Huber, von 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der EKD. Ich danke Ihnen sehr, Herr Huber!
Huber: Ich bedanke mich auch sehr herzlich!
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