Theologe: Mehr Transparenz schaffen
Das Problem rund um den Prunkbau des Bischofs Tebartz-van Elst sei, dass nie transparent kommuniziert worden sei, wie viel Geld das Projekt kosten wird, sagt Theologe Friedrich Wilhelm Graf. Der Bau passe auch nicht zur Botschaft, die der Papst aussendet: "Arme Kirche für die Armen".
Katrin Heise: Prunkvoll hat die Kirche stets gebaut. Wie schrieb die "Süddeutsche Zeitung" gestern über die Baukosten des Kölner Doms? Es seien die Bruttoinlandsprodukte von Jahrhunderten verbaut worden. Der Skandal um den Bischofssitz in Limburg nimmt sich dagegen ja fast wie eine Kleinigkeit aus.
Aber lassen wir mal die Unregelmäßigkeiten und die Intransparenz außer Acht - die ist es ja tatsächlich, die in Limburg dem Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst unter diesen erheblichen Druck bringt -, also wenn man das mal weglässt, stellt sich ja tatsächlich immer noch die Frage: Wie sollen die Kirchen als privilegierte Bauherren in einem demokratischen Gemeinwesen agieren? Das ist ja ein Gemeinwesen, das dank klammer Kassen höchst sensibel reagiert auf Verschwendung. Also wie sollen Kirchen heutzutage bauen?
Darüber spreche ich jetzt mit dem evangelischen Theologien Friedrich Wilhelm Graf, er hat zuletzt ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Kirchendämmerung: Wie die Kirchen unser Vertrauen verspielen".
Ich grüße Sie, Herr Graf!
Friedrich Wilhelm Graf: Einen schönen guten Morgen, Frau Heise!
Heise: Vertrauen ist ja so ein ganz großes Thema bei der ganzen Sache. Es wird ja nicht nur in Limburg gebaut: Die Diözese Rottenburg Stuttgart baut zum Beispiel ein neues Verwaltungsgebäude für über 40 Millionen Euro, der Freistaat Bayern hat die bischöfliche Residenz renovieren lassen und es wird auch andernorts gebaut. Mit welchem Geld baut die Kirche überhaupt?
Graf: Also es gibt drei unterschiedliche Einkommensarten der Kirche: Das eine sind die Steuermittel, also Kirchensteuermittel, das Zweite ist im Fall der römisch-katholischen Diözesen im Lande der sogenannte bischöfliche Haushalt - der Haushalt des Bischöflichen Stuhls, das ist altes Vermögen, das ist Grundbesitz -, und dann gibt es natürlich noch eine ganze Reihe von anderen kirchlichen Rechtssubjekten, die eigene Einkünfte haben, das sind Caritas-Stiftungen, das sind Diakonievereine und so weiter, die Immobilienbesitz haben. Es ist eine sehr, sehr intransparente und zugleich komplexe Finanzsituation.
Heise: Das heißt, wie und in welcher Weise sind die Kirchen der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig - also ich meine jetzt eigentlich fast weniger juristisch als mehr moralisch?
Graf: Also ich finde es immer klug, wenn man für Transparenz sorgt. Das haben die Kirchen in Deutschland nicht getan aus dem ganz einfachen Grunde, weil sie zum Teil selbst gar keinen prägnanten Überblick hatte. Ich nenne ein Beispiel, um Ihnen die schwierige Situation deutlich zu machen: Das Erzbistum München und Freising besitzt 5000 Hektar Land, aber diese 5000 Hektar Land, wenn man sich das genau anschaut, verteilen sich auf 800 selbstständige Rechtsträger. Insofern wird es eine Aufgabe sein, hier jetzt mehr Transparenz zu schaffen.
Heise: Sind die Bauherren Ihrer Meinung nach, also auch über den Limburger Fall hinaus, letztendlich ganz normale Bauherren?
Graf: Die Kirchen haben in aller Regel sehr repräsentativ gebaut, Kirchen nehmen öffentliche Aufgaben wahr, sie wollen in der Öffentlichkeit sichtbar sein, und das hat sich immer auch in ihren Architekturprogrammen ausgedrückt.
Heise: Mittlerweile ist ja in Limburg nur noch von "dem Protzbau" die Rede. Vergessen wir dabei, dass der Architekt Michael Frielinghaus bei Kennern überwiegend gelobt wird? Und zum Beispiel musste er jetzt auch diesen mittelalterlichen Turm mit integrieren, was auch zu großem Lob geführt hat. Ist die Diskussion in Limburg durch Einzelheiten wie zum Beispiel eine frei stehende Badewanne für 15.000 Euro zu so was wie einer Neiddebatte geworden?
Graf: Also der Fall Limburg, ich schlage vor, dass wir da differenzieren: Es sind ja einerseits öffentliche Bauwerke für die Diözesanverwaltung, es geht um ein Museum und so weiter, und davon sollte man die Privateinrichtung der Wohnung des Bischofs unterscheiden.
Das Limburger Problem ist, dass nie transparent kommuniziert worden ist, was gemacht wird, dass nie gesagt worden ist, das wird sehr viel Geld kosten, aber jeder Bauherr, der mit alter Bausubstanz zu tun hat, weiß, dass Auflagen von Behörden, also Erhaltungsmaßnahmen und so weiter, dass das in aller Regel viel Geld kostet. Wir kennen ja aus der Geschichte der Bundesrepublik zahlreiche öffentliche Bauten, die ungleich teurer geworden sind als zunächst geplant.
Heise: Verstehen Sie denn aber die Debatte um diesen Limburger Bau?
Aber lassen wir mal die Unregelmäßigkeiten und die Intransparenz außer Acht - die ist es ja tatsächlich, die in Limburg dem Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst unter diesen erheblichen Druck bringt -, also wenn man das mal weglässt, stellt sich ja tatsächlich immer noch die Frage: Wie sollen die Kirchen als privilegierte Bauherren in einem demokratischen Gemeinwesen agieren? Das ist ja ein Gemeinwesen, das dank klammer Kassen höchst sensibel reagiert auf Verschwendung. Also wie sollen Kirchen heutzutage bauen?
Darüber spreche ich jetzt mit dem evangelischen Theologien Friedrich Wilhelm Graf, er hat zuletzt ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Kirchendämmerung: Wie die Kirchen unser Vertrauen verspielen".
Ich grüße Sie, Herr Graf!
Friedrich Wilhelm Graf: Einen schönen guten Morgen, Frau Heise!
Heise: Vertrauen ist ja so ein ganz großes Thema bei der ganzen Sache. Es wird ja nicht nur in Limburg gebaut: Die Diözese Rottenburg Stuttgart baut zum Beispiel ein neues Verwaltungsgebäude für über 40 Millionen Euro, der Freistaat Bayern hat die bischöfliche Residenz renovieren lassen und es wird auch andernorts gebaut. Mit welchem Geld baut die Kirche überhaupt?
Graf: Also es gibt drei unterschiedliche Einkommensarten der Kirche: Das eine sind die Steuermittel, also Kirchensteuermittel, das Zweite ist im Fall der römisch-katholischen Diözesen im Lande der sogenannte bischöfliche Haushalt - der Haushalt des Bischöflichen Stuhls, das ist altes Vermögen, das ist Grundbesitz -, und dann gibt es natürlich noch eine ganze Reihe von anderen kirchlichen Rechtssubjekten, die eigene Einkünfte haben, das sind Caritas-Stiftungen, das sind Diakonievereine und so weiter, die Immobilienbesitz haben. Es ist eine sehr, sehr intransparente und zugleich komplexe Finanzsituation.
Heise: Das heißt, wie und in welcher Weise sind die Kirchen der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig - also ich meine jetzt eigentlich fast weniger juristisch als mehr moralisch?
Graf: Also ich finde es immer klug, wenn man für Transparenz sorgt. Das haben die Kirchen in Deutschland nicht getan aus dem ganz einfachen Grunde, weil sie zum Teil selbst gar keinen prägnanten Überblick hatte. Ich nenne ein Beispiel, um Ihnen die schwierige Situation deutlich zu machen: Das Erzbistum München und Freising besitzt 5000 Hektar Land, aber diese 5000 Hektar Land, wenn man sich das genau anschaut, verteilen sich auf 800 selbstständige Rechtsträger. Insofern wird es eine Aufgabe sein, hier jetzt mehr Transparenz zu schaffen.
Heise: Sind die Bauherren Ihrer Meinung nach, also auch über den Limburger Fall hinaus, letztendlich ganz normale Bauherren?
Graf: Die Kirchen haben in aller Regel sehr repräsentativ gebaut, Kirchen nehmen öffentliche Aufgaben wahr, sie wollen in der Öffentlichkeit sichtbar sein, und das hat sich immer auch in ihren Architekturprogrammen ausgedrückt.
Heise: Mittlerweile ist ja in Limburg nur noch von "dem Protzbau" die Rede. Vergessen wir dabei, dass der Architekt Michael Frielinghaus bei Kennern überwiegend gelobt wird? Und zum Beispiel musste er jetzt auch diesen mittelalterlichen Turm mit integrieren, was auch zu großem Lob geführt hat. Ist die Diskussion in Limburg durch Einzelheiten wie zum Beispiel eine frei stehende Badewanne für 15.000 Euro zu so was wie einer Neiddebatte geworden?
Graf: Also der Fall Limburg, ich schlage vor, dass wir da differenzieren: Es sind ja einerseits öffentliche Bauwerke für die Diözesanverwaltung, es geht um ein Museum und so weiter, und davon sollte man die Privateinrichtung der Wohnung des Bischofs unterscheiden.
Das Limburger Problem ist, dass nie transparent kommuniziert worden ist, was gemacht wird, dass nie gesagt worden ist, das wird sehr viel Geld kosten, aber jeder Bauherr, der mit alter Bausubstanz zu tun hat, weiß, dass Auflagen von Behörden, also Erhaltungsmaßnahmen und so weiter, dass das in aller Regel viel Geld kostet. Wir kennen ja aus der Geschichte der Bundesrepublik zahlreiche öffentliche Bauten, die ungleich teurer geworden sind als zunächst geplant.
Heise: Verstehen Sie denn aber die Debatte um diesen Limburger Bau?
"Offenkundig Leute gezielt betrogen"
Graf: Na ja, ich verstehe ... Es ist ja eine Debatte, die nicht nur um den Bau geführt wird, sondern um die Persönlichkeitsstruktur des dortigen Bischofs. Der hat offenkundig - man muss das sehr vorsichtig sagen, weil wir uns alle nur auf Medienberichte stützen -, der hat offenkundig Leute gezielt betrogen, er hat offenkundig kirchenrechtliche Vorschriften unterlaufen.
Das würde ich von dem Thema Bauen selbst unterscheiden. Sie haben den Namen des Architekten genannt, das ist einer der führenden deutschen Architekten, der ist der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Architekten, er gilt als extrem seriös. Das Einzige, was man vorwerfen kann, ist, dass nicht rechtzeitig für Transparenz gesorgt worden ist.
Heise: Wenn wir mal beim Bau bleiben - und ich habe ja die Geschichte der Baukunst erwähnt -, was wären Gotik und Barock beispielsweise ohne Kirchenbauten? Das sind aber Baudenkmäler, die sind entstanden als Machtdemonstration, die sind aus Geltungsdrang heraus durchaus auch entstanden. Aber die Baukunst wäre eben kaum vorstellbar ohne diese unvorstellbaren Summen, die da verbaut wurden. Ist das aber noch zeitgemäß für die Kirche?
Graf: Na ja, im Moment haben wir eine Debatte, die sich daran entzündet, dass der Papst in Rom ganz andere Botschaften aussendet, die Formel "Arme Kirche für die Armen", das ist bisher weithin Symbolpolitik, weil man noch gar nicht genau weiß, was man sich darunter vorstellen soll. Insofern hat der Limburger Bischof eine Schwierigkeit: Er hat was getan, was nicht zum jetzigen Kurs passt. Das hat sicherlich die Debatte befeuert. Aber es spielen ja in dieser Debatte viele andere Dinge mit, sein Umgang mit Menschen und so weiter. Insofern sollte man sich auf das Thema Bauen konzentrieren und da, wie gesagt, unterscheiden zwischen dem, was öffentliche Bauten sind: Da will sich die Kirche als Organisation oder als Institution sichtbar in Szene setzen.
Heise: Wie die Kirche richtig baut, darüber unterhalte ich mich mit dem Theologen Friedrich Wilhelm Graf. Herr Graf, Sie haben gerade eben den Papst erwähnt. Papst Franziskus steht für Bescheidenheit. Wenn man jetzt aber gleichzeitig sagt, also öffentliche Gebäude, da will sich die Kirche präsentieren - wäre die Kirche nicht auch auf dem Holzweg, wenn sie auf prächtige Sakral- oder Museumsbauten verzichten würde, wenn sie quasi nur noch schmucklose Funktionsbauten hinstellen würde? Ich meine, denken wir an die ganzen Betonkirchen jüngerer Vergangenheit, die inzwischen wieder abgerissen werden.
Das würde ich von dem Thema Bauen selbst unterscheiden. Sie haben den Namen des Architekten genannt, das ist einer der führenden deutschen Architekten, der ist der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Architekten, er gilt als extrem seriös. Das Einzige, was man vorwerfen kann, ist, dass nicht rechtzeitig für Transparenz gesorgt worden ist.
Heise: Wenn wir mal beim Bau bleiben - und ich habe ja die Geschichte der Baukunst erwähnt -, was wären Gotik und Barock beispielsweise ohne Kirchenbauten? Das sind aber Baudenkmäler, die sind entstanden als Machtdemonstration, die sind aus Geltungsdrang heraus durchaus auch entstanden. Aber die Baukunst wäre eben kaum vorstellbar ohne diese unvorstellbaren Summen, die da verbaut wurden. Ist das aber noch zeitgemäß für die Kirche?
Graf: Na ja, im Moment haben wir eine Debatte, die sich daran entzündet, dass der Papst in Rom ganz andere Botschaften aussendet, die Formel "Arme Kirche für die Armen", das ist bisher weithin Symbolpolitik, weil man noch gar nicht genau weiß, was man sich darunter vorstellen soll. Insofern hat der Limburger Bischof eine Schwierigkeit: Er hat was getan, was nicht zum jetzigen Kurs passt. Das hat sicherlich die Debatte befeuert. Aber es spielen ja in dieser Debatte viele andere Dinge mit, sein Umgang mit Menschen und so weiter. Insofern sollte man sich auf das Thema Bauen konzentrieren und da, wie gesagt, unterscheiden zwischen dem, was öffentliche Bauten sind: Da will sich die Kirche als Organisation oder als Institution sichtbar in Szene setzen.
Heise: Wie die Kirche richtig baut, darüber unterhalte ich mich mit dem Theologen Friedrich Wilhelm Graf. Herr Graf, Sie haben gerade eben den Papst erwähnt. Papst Franziskus steht für Bescheidenheit. Wenn man jetzt aber gleichzeitig sagt, also öffentliche Gebäude, da will sich die Kirche präsentieren - wäre die Kirche nicht auch auf dem Holzweg, wenn sie auf prächtige Sakral- oder Museumsbauten verzichten würde, wenn sie quasi nur noch schmucklose Funktionsbauten hinstellen würde? Ich meine, denken wir an die ganzen Betonkirchen jüngerer Vergangenheit, die inzwischen wieder abgerissen werden.
"Solides, nachhaltiges Bauen"
Graf: Genau. Wir haben ja an den Kirchenbauten der 60er-, 70er-Jahre gesehen, wie schnell so etwas ästhetisch veralten kann, wie schnell es auch technisch verschlissen ist. Ein Großteil dieser Bauten ist sanierungsbedürftig. Insofern habe ich für solides, nachhaltiges Bauen große Sympathie. In Limburg, wie gesagt, gibt es ein Kommunikationsproblem.
Ansonsten: Wir wollen doch keinen öffentlichen Raum, in dem nicht mehr vernünftig gebaut wird. Wenn Sie sich Universitätsneubauten der 60er- und 70er-Jahre anschauen - das ist doch Tristesse pur. Insofern ist gutes, solides Bauen auch für die Öffentlichkeit sehr, sehr wichtig in einer demokratischen Gesellschaft.
Heise: Ja, genau, in einer demokratischen Gesellschaft. Wer soll dann darüber entscheiden, was gutes, solides Bauen ist? Die Kirche oder die demokratische Gesellschaft?
Graf: Die demokratische Gesellschaft hat ja zunächst gar nichts damit zu tun, was Kirchen tun.
Heise: Eben.
Graf: Es werden in aller Regel keine öffentlichen Gelder verbaut. In Limburg gibt es keine öffentlichen Gelder. Das ist im Fall des Münchner Holnstein-Palais ganz anders, da hat der Freistaat gebaut, weil er hier entsprechende Baulastverpflichtung hat. Ich sage noch einmal: dieses Thema "privat" in Limburg von dem Thema "öffentlicher Bau" unterscheiden.
Dort ist sehr seriös eine eindrucksvolle Architektur in Szene gesetzt worden. Und dass das aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls finanziert wird, dass da möglicherweise intern mit Geld nicht sehr solide umgegangen worden ist, das muss man von dem Thema Bau selbst unterscheiden.
Die Kirchen haben in einer demokratischen Gesellschaft für Transparenz zu sorgen, das haben sie bisher nicht getan, aber auch viele Unternehmen haben lange, also andere Akteure in der deutschen Gesellschaft haben lange Transparenzvorschriften missachtet, sind erst nach und nach dazu gezwungen worden, ihr Vermögen wirklich sichtbar zu machen.
Heise: Also mit offenen Karten spielen, das ist so das, was über allem steht, wie ich da raushöre.
Graf: Genau.
Heise: Wie halten es eigentlich die Bauherrn der evangelischen Kirche? Bei denen ist es ja ... Also zumindest historisch gab es eine gewisse Distanz zu dem Prunkgebaren der katholischen Kirche. Aber schöne Kirchen hat man auch gebaut.
Graf: Natürlich. Sakralräume sind architektureigener Art. Und man hat natürlich auch an den 60er- und 70er-Jahren gesehen, dass man viele Fehler gemacht hat. Die Kirchen sind ja Teil einer Gesellschaft, bei aller Unterscheidungsrhetorik, die sie gern bemühen - sie spiegeln Zeitgeist wider. Und ein Teil der der neueren Kirchenarchitektur ist eher misslungen. Deshalb: Besinnen darauf, was denn langfristig gute Architektur ist.
Heise: Was für eine Symbolkraft haben Ihrer Meinung nach die Kirchen als Bauten eigentlich noch, welche Zugkraft für Gläubige oder welche, die man gewinnen möchte?
Graf: Na ja, in Kirchen gehen ja nicht nur Gläubige, sondern Kirchen sind in aller Regel in europäischen Städten Teil des öffentlichen Raumes. Kirchen stehen in aller Regel in der Mitte einer Stadt oder in der Mitte eines Dorfes. Sie können das sehr schön in den neuen Bundesländern sehen, wo sich sehr viele auch nicht-christliche Akteure darum bemühen, etwa in Brandenburg, verfallende Kirchen zu restaurieren. Sie haben eine starke Symbolkraft, sie repräsentieren immer auch so etwas wie lokale Identität.
Heise: Also eher das Symbol stärken oder vielleicht, wie in Köln geschehen, das Museum Kolumba eben quasi als Ersatz für eine nicht mehr vorhandene Kirche?
Graf: Na ja, Kolumba ist ja ein schönes Beispiel für nachhaltiges, solides Bauen. Ich weiß jetzt nicht, was Kolumba gekostet hat, aber billig wird das nicht gewesen sein, wenn man sich das anschaut. Dort ist mit historisch gewachsener kirchlicher Bausubstanz extrem sensibel umgegangen worden. Das ist ein Beispiel in meinen Augen für gelungenes Bauen der Kirche.
Heise: Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf, von ihm stammt das Buch "Kirchendämmerung". Ich danke Ihnen ganz herzlich, Herr Graf!
Graf: Ich danke Ihnen auch. Einen guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ansonsten: Wir wollen doch keinen öffentlichen Raum, in dem nicht mehr vernünftig gebaut wird. Wenn Sie sich Universitätsneubauten der 60er- und 70er-Jahre anschauen - das ist doch Tristesse pur. Insofern ist gutes, solides Bauen auch für die Öffentlichkeit sehr, sehr wichtig in einer demokratischen Gesellschaft.
Heise: Ja, genau, in einer demokratischen Gesellschaft. Wer soll dann darüber entscheiden, was gutes, solides Bauen ist? Die Kirche oder die demokratische Gesellschaft?
Graf: Die demokratische Gesellschaft hat ja zunächst gar nichts damit zu tun, was Kirchen tun.
Heise: Eben.
Graf: Es werden in aller Regel keine öffentlichen Gelder verbaut. In Limburg gibt es keine öffentlichen Gelder. Das ist im Fall des Münchner Holnstein-Palais ganz anders, da hat der Freistaat gebaut, weil er hier entsprechende Baulastverpflichtung hat. Ich sage noch einmal: dieses Thema "privat" in Limburg von dem Thema "öffentlicher Bau" unterscheiden.
Dort ist sehr seriös eine eindrucksvolle Architektur in Szene gesetzt worden. Und dass das aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls finanziert wird, dass da möglicherweise intern mit Geld nicht sehr solide umgegangen worden ist, das muss man von dem Thema Bau selbst unterscheiden.
Die Kirchen haben in einer demokratischen Gesellschaft für Transparenz zu sorgen, das haben sie bisher nicht getan, aber auch viele Unternehmen haben lange, also andere Akteure in der deutschen Gesellschaft haben lange Transparenzvorschriften missachtet, sind erst nach und nach dazu gezwungen worden, ihr Vermögen wirklich sichtbar zu machen.
Heise: Also mit offenen Karten spielen, das ist so das, was über allem steht, wie ich da raushöre.
Graf: Genau.
Heise: Wie halten es eigentlich die Bauherrn der evangelischen Kirche? Bei denen ist es ja ... Also zumindest historisch gab es eine gewisse Distanz zu dem Prunkgebaren der katholischen Kirche. Aber schöne Kirchen hat man auch gebaut.
Graf: Natürlich. Sakralräume sind architektureigener Art. Und man hat natürlich auch an den 60er- und 70er-Jahren gesehen, dass man viele Fehler gemacht hat. Die Kirchen sind ja Teil einer Gesellschaft, bei aller Unterscheidungsrhetorik, die sie gern bemühen - sie spiegeln Zeitgeist wider. Und ein Teil der der neueren Kirchenarchitektur ist eher misslungen. Deshalb: Besinnen darauf, was denn langfristig gute Architektur ist.
Heise: Was für eine Symbolkraft haben Ihrer Meinung nach die Kirchen als Bauten eigentlich noch, welche Zugkraft für Gläubige oder welche, die man gewinnen möchte?
Graf: Na ja, in Kirchen gehen ja nicht nur Gläubige, sondern Kirchen sind in aller Regel in europäischen Städten Teil des öffentlichen Raumes. Kirchen stehen in aller Regel in der Mitte einer Stadt oder in der Mitte eines Dorfes. Sie können das sehr schön in den neuen Bundesländern sehen, wo sich sehr viele auch nicht-christliche Akteure darum bemühen, etwa in Brandenburg, verfallende Kirchen zu restaurieren. Sie haben eine starke Symbolkraft, sie repräsentieren immer auch so etwas wie lokale Identität.
Heise: Also eher das Symbol stärken oder vielleicht, wie in Köln geschehen, das Museum Kolumba eben quasi als Ersatz für eine nicht mehr vorhandene Kirche?
Graf: Na ja, Kolumba ist ja ein schönes Beispiel für nachhaltiges, solides Bauen. Ich weiß jetzt nicht, was Kolumba gekostet hat, aber billig wird das nicht gewesen sein, wenn man sich das anschaut. Dort ist mit historisch gewachsener kirchlicher Bausubstanz extrem sensibel umgegangen worden. Das ist ein Beispiel in meinen Augen für gelungenes Bauen der Kirche.
Heise: Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf, von ihm stammt das Buch "Kirchendämmerung". Ich danke Ihnen ganz herzlich, Herr Graf!
Graf: Ich danke Ihnen auch. Einen guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.