Die Folgen der Treuhand als Ausstellungsthema:
Dieser Tage ist in Erfurt auch eine Ausstellung mit dem Titel "Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale" eröffnet worden. Im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung werden dort Menschen vorgestellt, die direkt betroffen waren von den Entscheidungen der Behörde. Thüringen-Korrespondent Henry Bernhard hat war bei der Eröffnung dabei:
Mehr als nur Frust und Verzweiflung
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Hassobjekt oder Behörde des unvermeidbaren Strukturwandels? Über die Arbeit der Treuhand wird gerade wieder erbittert gestritten. Für den Theologen Richard Schröder ist die Kritik Teil einer Verschwörungstheorie.
Auch nach knapp 30 Jahren gilt: Die Treuhand polarisiert. Für die einen ist es die Institution, die die dringend nötige Abwicklung der DDR-Planwirtschaft vollzog. Für die anderen ist sie Sinnbild für eine feindliche westliche Übernahme und langjährige Demütigungen.
Inzwischen ist die Treuhand sogar zu einem der wichtigsten Themen im Landtagswahlkampf in Sachsen und Brandenburg avanciert. Für die AfD gehört sie zum Trauma der Ostdeutschen, so beschrieb es der Ost-Beauftragte der Partei, Jürgen Pohl. Ähnlich argumentiert die Linke. Der Schaden, den die Treuhand angerichtet habe, sei "bis heute eine wesentliche Ursache für den ökonomischen Rückstand des Osten und für politischen Frust vielerorts", sagte beispielsweise Fraktionschef Dietmar Bartsch dem "Tagesspiegel". AfD und Linke fordern beide einen Bundestagsuntersuchungsausschuss, um die Arbeit der Behörde aufarbeiten zu lassen.
Die Treuhand als Wahlkampfthema
Der Theologe und ehemalige Fraktionschef der DDR-Sozialdemokraten in der Volkskammer, Richard Schröder, widerspricht dieser Einordnung durch AfD und Linke vehement. Schröder sagte im Deutschlandfunk Kultur:
"Das ist voller Blödsinn. Die schweren Schläge gegen die DDR-Wirtschaft, die sind erteilt worden, ehe die Treuhand ihre Arbeit begonnen hat."
Mit der Maueröffnung hätten DDR-Waren nur durch Zölle geschützt werden können, so Schröder. Das aber sei keine Option gewesen, weil in diesem Fall Zollkontrollen an der innerdeutschen Grenze erforderlich gewesen wären. "Ostwaren produzieren und Westwaren konsumieren, das kann ja auf Dauer nicht funktionieren." Außerdem habe die Währungsunion die Ost-Produkte zwangsläufig verteuert, was ebenso wie die Abschaffung des Transfer-Rubels dazu geführt habe, dass Märkte in Ostdeutschland sowie in anderen osteuropäischen Staaten zusammenbrachen, erläuterte Richard Schröder. (*)
Warum gerade die AfD das Thema "Treuhand" für sich entdeckt hat, das erklärte der Historiker Marcus Böick in unserem Programm so:
"Dass die AfD dieses Thema versucht zu besetzen und ein Stück weit auch der Linkspartei wegzunehmen, wenn man so möchte, das überrascht mich nicht. Das eignet sich natürlich sehr gut für solche Polarisierungen und auch für solche populistischen Kurzschlüsse. Die Treuhandanstalt hat eine lange Geschichte als negativer Gründungsmythos der neuen Bundesländer. Aber natürlich, wenn man es sich differenziert anschaut, die Fälle anschaut, das, was wirklich konkret in den frühen 90er-Jahren geschehen ist, anschaut, analysiert, dann wird man natürlich zu anderen Urteilen und auf jeden Fall nicht zu solchen pauschalen Urteilen kommen – im Negativen, wie aber auch im Positiven."
Treuhand-Bedeutung wird Teil von Verschwörungstheorien
Zu diesem negativen Gründungsmythos, wie Böick ihn beschreibt, sagte Schröder, inzwischen Vorsitzender des Beirats des Projekts "Geschichte der Treuhand" des Instituts für Zeitgeschichte: "Es ist typisch für Verschwörungstheorien, dass man mehr Absicht hinter den Ereignissen vermutet als überhaupt drin stecken kann."
Die Bundesregierung und die Bundesbank hätten sich lange gegen eine schnelle Währungsunion gestemmt, so Schröder. Daher sei der Vorwurf einer Planung aus dem Westen ein Witz.
Ein Treuhand-Untersuchungsausschuss, wie ihn Linke und AfD verlangen, ist nicht nötig, findet Richard Schröder. So ein Ausschuss sei nur geeignet, wenn es um zeitlich naheliegende Missstände gehe, die aufgeklärt werden müssten. Man könne ja in die Archive gehen und unter anderem die Akten des Treuhandvorstandes einsehen. Man müsse die Dokumente erstmal studieren, und dann sehen, ob Fragen übrigblieben, die noch geklärt werden müssten, argumentierte der SPD-Politiker.
Inzwischen hat die frühere Treuhand-Chefin Birgit Breuel Fehler bei ihrer Arbeit eingeräumt. Im Juli sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung":
"In Westdeutschland wäre es nicht möglich gewesen, den Leuten eine Veränderung dieses Ausmaßes zuzumuten. Sie hätten das nicht durchgehalten. Wir mussten den Menschen wirklich sehr viel zumuten und haben das auch getan, ohne Zweifel. Wir hatten nicht die Zeit, uns mit ihren Biografien ausreichend zu beschäftigen. Das war teilweise sehr hart. Sie haben sicherlich enorm gelitten und uns auch gehasst."
Die frühere CDU-Politikerin war von 1991 bis 1995 Chefin der Behörde, sie war die Nachfolgerin des bei einem Anschlag ermordeten Detlev Karsten Rohwedder. Auch in einer kürzlich bei Arte gezeigten Dokumentation wurde Birgit Breuel interviewt. Nach Jahrzehnten des Schweigens war sie für diese Produktion mit dem Titel "D-Mark, Einheit, Vaterland - Das schwierige Erbe der Treuhand" erstmals bereit, noch einmal über die Zeit damals zu sprechen.
(kba)
(*) Anmerkung der Redaktion: In diesem Absatz hatten wir zwei Äußerungen von Richard Schröder missverständlich wiedergegeben. Wir haben die Formulierungen präzisiert.