Therapie als Erfolgsmodell
Galten früher psychische Krisen als Defekt, den man schamhaft versteckte, kommt heute keine Promi-Biographie ohne eine solche Krise und deren therapeutische Bewältigung aus. Die israelische Soziologin Eva Illouz illustriert in "Die Errettung der modernen Seele" denn auch, wie das therapeutische Denkmodell inzwischen alle Lebensbereiche erfasst hat.
Wer auch nur einen Abend lang durch die Programme des Fernsehens surft, begreift, in welchem Maß das therapeutische Denken, der emotionale Diskurs und das Ratgeberwesen die Gegenwartskultur beherrschen. So stark, dass es uns kaum mehr auffällt. In Talkshows werden Prominente nach ihren psychischen Krisen und ihren Verarbeitungstechniken dieser Krisen befragt. In Reportagen wird über das Spektrum menschlich-individueller Probleme und deren Lösungswege berichtet. In zahllosen Doku-Soaps widmen sich Coachs - Supernannys, Streetworker, Schuldenberater und Psychologen - den individuellen Störfällen der Gesellschaft.
In ihrem neuen Buch "Die Errettung der modernen Seele" zeichnet die renommierte und international bekannte israelische Soziologin Eva Illouz die Erfolgsgeschichte des Therapiemodells vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart nach und weist an vielen konkreten Beispielen nach, wie das therapeutische Denkmodell sich nicht nur in der privaten, persönlichen Sphäre ausdrückt, sondern sich erstaunlicherweise auch in jenen Bereichen moderner Gesellschaften findet, die, wie Wirtschaft und Politik, traditionell eher emotionsfern strukturiert sind.
Eva Illouz fasst den Begriff "Therapie" in einem weiten soziologischen Sinn auf. Sie versteht darunter nicht nur die konkrete Situation beim professionellen Psychotherapeuten, sondern die Summe der ratgeberhaften und emotionsorientierten Gegenwartskultur - von Weight Watchers über begleitetes Ehegespräch bis zum Psycho-Coaching der Fußballnationalmannschaft. Sie polemisiert nicht, aber sie macht mit Dringlichkeit klar, wie sehr der moderne Mensch im Wissen über sich selbst Halt findet und wie instabil dieser Halt unter Umständen sein kann.
"Die Errettung der modernen Seele" ist ein Buch mit wissenschaftlichem Anspruch, verfasst mit soziologischem Vokabular, aber dank seiner Anschaulichkeit und seiner Fülle an konkretem Material auch für den nichtsoziologischen, interessierten Leser verstehbar.
Besprochen von Ursula März
Eva Illouz: Die Errettung der modernen Seele
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2009
412 Seiten, 26,80 EUR
In ihrem neuen Buch "Die Errettung der modernen Seele" zeichnet die renommierte und international bekannte israelische Soziologin Eva Illouz die Erfolgsgeschichte des Therapiemodells vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart nach und weist an vielen konkreten Beispielen nach, wie das therapeutische Denkmodell sich nicht nur in der privaten, persönlichen Sphäre ausdrückt, sondern sich erstaunlicherweise auch in jenen Bereichen moderner Gesellschaften findet, die, wie Wirtschaft und Politik, traditionell eher emotionsfern strukturiert sind.
Eva Illouz fasst den Begriff "Therapie" in einem weiten soziologischen Sinn auf. Sie versteht darunter nicht nur die konkrete Situation beim professionellen Psychotherapeuten, sondern die Summe der ratgeberhaften und emotionsorientierten Gegenwartskultur - von Weight Watchers über begleitetes Ehegespräch bis zum Psycho-Coaching der Fußballnationalmannschaft. Sie polemisiert nicht, aber sie macht mit Dringlichkeit klar, wie sehr der moderne Mensch im Wissen über sich selbst Halt findet und wie instabil dieser Halt unter Umständen sein kann.
"Die Errettung der modernen Seele" ist ein Buch mit wissenschaftlichem Anspruch, verfasst mit soziologischem Vokabular, aber dank seiner Anschaulichkeit und seiner Fülle an konkretem Material auch für den nichtsoziologischen, interessierten Leser verstehbar.
Besprochen von Ursula März
Eva Illouz: Die Errettung der modernen Seele
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2009
412 Seiten, 26,80 EUR