Klaus Theweleit: Das Lachen der Täter, Breivik u.a., Psychogramm der Tötungslust
Residenz Verlag, Wien 2015
246 Seiten, 22,90 Euro
Warum Menschen Lust am Töten haben
Das Töten ist nicht abstrakt: Dieser rote Faden zieht durch "Das Lachen der Täter" von Klaus Theweleit. Sein Versuch, scheinbar unbegreifliche Gewaltorgien zu erklären, ist für die Leser harter Stoff.
"Das Töten ist kein abstrakter Vorgang; das Erlernen des Tötens schon gar nicht. Jedes Detail der Zerstörung ist körperlich."
Diese scheinbar binsenweise Feststellung ist der rote Faden, aus dem Klaus Theweleit sein "Psychogramm" knüpft. Die zentralafrikanischen Kindersoldaten, deren Tötungszurichtung er Uzodinma Iwealas Roman "Du sollst Bestie sein!" entnimmt, sind nur ein Beweis. Andere Beispiele liefern Kambodscha, Indonesien, Ruanda, Guatemala, ethnische Säuberer auf dem Balkan, uniformierte Mörder des Nazistaats, Lynchmobs und CIA-Folterer der USA, IS-Dschihadisten. Und Anders Breivik, der das ideologische Unterfutter zu seiner Tat gleich mitliefert.
Die vier Elemente von Gewaltorgien
In Breiviks "Manifest" finden sich alle vier Elemente, die angeblich unbegreiflichen Gewaltorgien eigen sind: 1. die Tat bleibt straflos, sie passiert außerhalb geltenden Rechts; 2. sie ist bühnenartig inszeniert; 3. sie wird gefeiert, 4. sie erfolgt in "höherem Auftrag" – eines Staates (der deutschen Nationalsozialsten etwa), eines Widerstands (zur "Rettung des Abendlands" wie bei Breiviks Tempelrittern) oder gottbefohlen.
Zum Feiern gehört ein verstörendes Dauer-Gelächter. Breivik lacht laut hinter den Flüchtenden her; Ruandas mordhetzender Radiosender hat einen "Houseclown"; IS-Postings sind voller Smileys; indonesische Folterer veranstalten fröhliches Re-Enactment ihrer Taten; Wehrmachtsoldaten erzählen sich schenkelklopfend von Massenerschießungen. Auch "normale" Politiker beherrschen es: Die Dulles-Brüder, US-Außenminister John Foster und CIA-Chef Allen, posieren lachend mit Staatschefs, deren Tod sie längst planen.
Wie werden junge Männer zu Killern?
Das Gewebe, das Theweleit knüpft, ist nicht hermetisch-dogmatisch. Es ist breitmaschig, verknotet Schnittmengen, lässt Luft zum Selberdenken, auch zum Widersprechen. Er springt durch Zeiten und Räume, assoziativ, in Gedankenprosa, er referiert und zitiert ausgiebig – Reportagen wie Theorien. Und natürlich nimmt er seinen eigenen Anfangsfaden aus den "Männerphantasien" (1977) wieder auf: den Komplex "Männer-Körper(lichkeit)" und ihre Beziehung zu Herrschaft, Gewalt, Kriegslust, Tod. Wie wird aus einem zarten, verwundbaren kleinen Jungen der killer-kompatible "fragmentarische Körper"? Denn in allen Fällen, die uns heute entsetzen, geht es um Jungs auf dem Weg zum Mannwerden – das heißt, ganz zentral, um die Körpererfahrung namens Sexualität. Die Frage danach ist Theweleits Glutkern, dass sie selbst heute angesichts all der mordenden Adoleszenten nicht gestellt wird, feuert ihn auch zu ein paar massiven Attacken an.
"Das Lachen der Täter" ist harter Stoff. Und das ist gut so. Nach der Lektüre ist einem die ganze neue "Fun!"-Kultur endgültig vergällt. Aber auch gegen die hilft das andere, das subversive Lachen "von unten nach oben", das einen übermächtigen Feind auf Menschenmaß stutzt. Dieser, auch sehr körperliche Aspekt fehlt bei Theweleit. Aber diesen "Faden" spinnen andere furiose Autoren, aus den Witztraditionen, mit denen verfolgte Minderheiten überall und zu allen Zeiten zu überleben versuchen.