"Das ist kein Ort zum Feiern"
Der Erhalt der East Side Gallery ist für Thierry Noir eine Herzensangelegenheit. Der französische Künstler malte seine glubschäugigen Figuren auf den Beton. Trotz bunter Vielfalt ist es für ihn aber kein fröhlicher Ort: Zu viele Menschen seien dort gestorben.
Die East Side Gallery ist für Menschen aus aller Welt eine Attraktion. Die 1,3 Kilometer lange Restmauer befindet sich in Berlin zwischen der Oberbaumbrücke und dem Ostbahnhof. An die drei Millionen Berlin-Touristen schlendern jedes Jahr an der Betonwand entlang, die internationale Künstler bemalt haben. Vor Jahren wurden Stücke aus ihr heraus gebrochen, weil Zugänge für neu gebaute luxuriöse Häuser geschaffen werden mussten.
Dagegen gab es viel Protest – nur rückgängig gemacht werden konnte der Abbruch nicht. Seit dem 1. November ist die East Side Gallery in die Stiftung Berliner Mauer übergegangen, sie steht damit unter Denkmalschutz und Bau-Investoren können keinen Teilabriss mehr veranlassen.
1982 kam er nach West-Berlin
Thierry Noir ist 1982 aus Frankreich nach West-Berlin gezogen und einer der Künstler, die aus den Mauerresten das Kunstwerk gemacht haben, das es heute ist. Seine glubschäugigen Köpfe in leuchtenden Farben kennt jeder Besucher der East Side Gallery. Noir sitzt im Vorstand des Vereins East Side Gallery – deren Zukunft war und ist ihm eine Herzensangelegenheit. Schon allein deshalb, weil dort seit dem Mauerbau Erwachsene und Kinder beim Fluchtversuch ums Leben gekommen seien – ertrunken in der Spree, sagte Noir im Deutschlandfunk Kultur.
Als er vor knapp zehn Jahren mit großem Aufwand die Restaurierung der East Side Gallery organisierte, sei es ihm dabei aber eigentlich nicht um den Erhalt der Kunst gegangen. "Diese Malereien sind eine Art Alibi, um die Mauer zu erhalten. Wir haben sie nicht bemalt, um berühmt zu werden, sondern um diesen Beton zu erhalten", sagte Thierry. Und die Bilder seien die einzige Chance – denn "eine weiße Mauer interessiert keinen Menschen". Jeder Tourist, der an der Gallery entlang laufe, schütze die Mauer und die Erinnerung an sie.
Mauerreste als ein Symbol der Freude?
Die Stiftung Berliner Mauer möchte – nach dem Vorbild der Mauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße – an der East Side Gallery nun ein Infocenter einrichten, die Mauerreste vor allem aber auch als Symbol der Freude bewahren.
Für Thierry Noir jedoch ist die East Side Gallery kein Ort der Freude. Er habe lange in Kreuzberg, in unmittelbarer Nähe der Mauer gelebt. "Es trifft mich stark, wenn ich das Wasser der Spree sehe hinter der East Side Gallery. Dort sind Leute gestorben. Ich kann mich dort nicht freuen." Es sei kalt, laut, schmutzig – "kein Ort zum Feiern", sondern ein Ort des Gedenkens. Doch auf eine andere Art als in der Bernauer Straße.
Noir betonte, er würde den Ort gerne dem Gedenken an die ertrunkenen Kinder widmen. Das jüngste sei gerade einmal fünf Jahre alt gewesen, als es 1975 ertrank. Niemand habe ihm helfen können, weil die DDR-Grenzsoldaten dies verhindert hätten. Und das dürfe niemals in Vergessenheit geraten.
(mkn)