Thilo Bode über sein Buch "Die Diktatur der Konzerne"

"Globale Unternehmen zerstören die Demokratie"

Im Vordergrund das Cover von Thilo Bodes "Die Diktatur der Konzerne, im Hintergrund ein Bürohochhaus vom Boden aus aufgenommen.
Thilo Bode fordert in "Die Diktatur der Konzerne" mehr wirksame Klagemöglichkeiten für Verbraucher. © S. Fischer Verlag/ Imago/ Photocase
Moderation: Christian Rabhansl |
Deutschlands prominenter Verbraucherrechtler Thilo Bode warnt: Globale Unternehmen wie VW, Amazon & Co. zerstören die Demokratie. Er fordert ein Klagerecht gegen den Staat, um diesen zum Handeln zu zwingen, damit bestehende Gesetze auch wirklich angewendet werden.
Konzerne haben in Deutschland laut Thilo Bode zu viel politische Macht. Als Beispiel nennt er den Diesel-Skandal. Auch beim jüngsten Dieselgipfel hätten sich die Konzerne nicht verpflichtet, die Kosten von Hardware-Nachrüstungen zu übernehmen. Bode sagt: "Die ganze Sache stinkt wirklich zum Himmel. Das ist ein Betrug. Und hier schützt der Staat seine Bürger nicht, das ist der eigentliche Skandal, sondern er schützt die Konzerne." Dies gehe nicht nur zulasten der Kunden, sondern zulasten der Gesundheit und der Umwelt. In seinem Buch formuliert Bode: "30 Jahre deutsche Verkehrspolitik sind dank deutscher Autokanzler und Autominister 30 verlorene Jahre im Kampf gegen den Klimawandel."
Aber ist eine verbraucherunfreundliche Politik gleich eine "Diktatur", wie Bode behauptet? Bode erwidert: "Meine These heißt ja im Grunde, es werden keine wesentlichen Entscheidungen mehr gegen die Interessen von Konzernen getroffen. Die 'Diktatur‘ ist hier so interpretiert, dass gegen die Konzerne nichts mehr geht. Und das ist natürlich insofern ein Riesenproblem, weil der Bürger, wenn er zur Wahl geht und seine Stimme abgibt, damit rechnen muss, dass seine Stimme gar nicht mehr nützt um Regierungshandeln wirklich zu steuern. Sondern dass das Regierungshandeln von dritter Seite, nämlich von den Konzernen, gesteuert wird." Das lasse sich in vielen Branchen beobachten, beispielweise im Bankensektor, in der Nahrungsmittelindustrie, bei Digitalkonzernen. "Da muss man ganz klar sagen: Das ist eine Bedrohung für die Demokratie."

Macht der Verbraucher gegen Betrug von Konzernen zu gering

Es sei jedoch falsch zu glauben, dass hier mafiöse Unternehmen auf korrupte Politiker träfen. Bode beschreibt stattdessen "ein zunehmendes gemeinsames Interesse von Wirtschaft und Politik, sich gegenseitig nicht weh zu tun". Verantwortlich dafür sei auch der immer stärkere personelle Austausch zwischen Politik und Konzernen. "Der Wechsel von Politikern in die Vorstandsetagen hat enorm zugenommen - und andersherum wechseln auch wichtige Konzernexperten in die Politik. Das heißt, dass wir hier eine Interessensgemeinschaft haben, die auf Kosten der Allgemeinheit geht."
Die Macht der Verbraucher, sich gegen betrügerische Konzerne zu wehren, sei sehr begrenzt. "Einer, der ein Auto mit Betrugssoftware gekauft hat, was soll der denn machen? Der hat ja heute gar nicht die Möglichkeit, VW zu verklagen, das ist ja völlig unrealistisch. In dem Fall ist es ja so, dass der Kunde rechtlich überhaupt keine Chance hat gegen VW. Und dass der Staat und die Justiz nicht eingreifen wollen und nicht eingreifen können." Dem Verbraucher die Verantwortung zuzuschieben, sei "völlig absurd". Der Kunde könne vielleicht ein gutes Produkt auswählen, aber mit seiner Nachfrage keine Systeme erschaffen, kein solides Finanzwesen, keine gute Verkehrspolitik, keine manipulationsfreien Digitalkonzerne. "Das ist wirklich eine ganz fiese Nummer, die Verantwortung auf die Verbraucher abzuwälzen."

Bode fordert scharfes Unternehmensstrafrecht

Was also tun gegen eine Übermacht globaler Konzerne? Thilo Bode hält das bestehende Kartellrecht nicht für ausreichend, da die Behörden vor allem die Preiskonkurrenz prüften. Nicht berücksichtigt werde jedoch, wenn Konzerngruppen beispielsweise die Produktionsbedingungen ganzer Branchen diktierten. "Und die politische Macht, die sich aus der Wirtschaftsmacht ergibt, die ist schon gar kein Gegenstand der Kartellpolitik."
Als Konsequenz fordert Bode ein scharfes Unternehmensstrafrecht, um Konzerne auch dann bestrafen zu können, wenn kein persönliches Fehlverhalten von Managern nachweisbar sei. "Das ist ein Defizit: Unser Strafrecht kann nur Personen bestrafen, keine Unternehmen. In anderen Ländern ist das möglich. Das bedeutet: Wenn wir nicht nachweisen können, dass der ehemalige VW-Vorstand Herr Winterkorn ganz persönlich angeordnet hat, so, nun betrügt mal, dann hat man wenig Chancen den Mann wirklich zu bestrafen. Und den Konzern schon gar nicht. Das ist wirklich unmöglich."
Neben einem Unternehmensstrafrecht und Gruppenklagen wie in den USA fordert Bode vor allem ein Klagerecht von Kunden gegen den Staat. Denn, so Bode: "Wir haben zunehmend das Problem, dass der Staat Gesetze beschließt, aber selber nicht anwendet." Mit einem solchen Klagerecht "würde man den Staat zum Jagen tragen".
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