Thomas de Padova: Allein gegen die Schwerkraft. Einstein 1914-1918
Hanser, München 2015
312 Seiten, 21,90 Euro
Die Launen eines Jahrhundertgenies
Thomas de Padova beschreibt in "Allein gegen die Schwerkraft - Einstein 1914-1918" eindrucksvoll die Stimmung in Einsteins Berliner Zeit. Der Physiker wird beim Lesen lebendig – mit all seiner Genialität und Freiheitsliebe, aber auch mit seinen Eigenheiten und Launen.
Während die Welt um ihn herum aus den Fugen geriet, revolutionierte Albert Einstein 1915 mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie die Physik. Dabei fühlte sich das heute bewunderte Jahrhundertgenie privat wie politisch unverstanden. Inmitten der Berliner Kriegsbegeisterung entwickelte er sich zu zur moralischen Instanz, aber auch zum Einzelgänger.
Thomas de Padova präsentiert den Physiker im Zentrum eines opulenten Zeitgemäldes. Seine umfangreichen Archivrecherchen nutzt er, um den Menschen Albert Einstein und dessen Umwelt lebendig und detailreich zu präsentieren. 1914 forschten die besten Physiker und Chemiker der Welt in Berlin, und als der damals 34-jährige Einstein die Einladung erhielt, von Zürich nach Berlin zu wechseln, konnte er nicht nein sagen. In Deutschland erhielt er erstmals die Gelegenheit, seine Zeit ausschließlich der Forschung zu widmen. Ein Wunschtraum ging in Erfüllung.
In Deutschland traf Albert Einstein nicht nur auf viele Kollegen, mit denen er auf hohem Niveau diskutieren konnte. Er wurde Mitglied einer Wissenschaftlergemeinde, die dabei war im nationalen Rausch ihre Menschlichkeit zu verlieren. Ein Beispiel dafür ist der Chemiker Fritz Haber, der Einstein sehr schätzte und ihn zunächst unterstützte. Im ersten Weltkrieg stellte Haber jedoch seine Forschung ganz in den Dienst der Nation und widmete sich der Herstellung chemischer Kampfstoffe.
Einstein beklagte die "deutschtümelnde Kraftmeierei"
Als freiheits- und friedensliebender Außenseiter sah sich Einstein umgeben von lauter Kriegsbefürwortern. Schweizer Freunden gegenüber beklagte er die "deutschtümelnde Kraftmeierei", die ganz Berlin erfasst habe. In dieser Umgebung wurde Einstein zum überzeugten Pazifisten.
Thomas de Padova bewundert den ebenso genialen wie prinzipienfesten Einstein. Zugleich zeichnet er das Bild eines unreifen Mannes, der sich als über 30-Jähriger gegen Haarekämmen und Zähneputzen wehrte. Er konnte launisch sein, und seine Frau Mileva lernte zunehmend seine unangenehme Seite kennen. Als Physikerin hatte Mileva ihn in der Anfangsphase seiner Forschung aktiv unterstützt. Doch nach dem Aufstieg ihres Mannes muss sie sich auf die Rolle als Mutter und Haushälterin beschränken. Mileva und Albert entfremdeten sich immer mehr. Mileva ging mit den Kindern zurück nach Zürich, und Albert ließ sich in Berlin von seiner Cousine Elsa umsorgen, die er später heiratete.
Thomas de Padova beschreibt eindrucksvoll die Stimmung im Berlin der Jahre 1914 bis 1918. Der Mensch Albert Einstein wird beim Lesen lebendig – mit all seiner Genialität und Freiheitsliebe, aber auch mit seinen Eigenheiten und Launen. Der Bewunderung für ein Jahrhundertgenie schadet das nicht.