Thomas Gottschalk

Ein Influencer avant la lettre

58:47 Minuten
Die Schauspieler Thomas Gottschalk posiert auf einem roten Kuss-Sofa bei einem Pressetermin.
Er ist, wie er ist: Thomas Gottschalk bei einem Pressetermin zum Film "Eine Frau namens Harry" (1990). © imago / Horst Galuschka
Jochen Werner im Gespräch mit Matthias Dell |
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Na, sowas! Seit mehr als 40 Jahren sendet Thomas Gottschalk auf allen Kanälen, macht "Telespiele" und Kinofilme, von Kulmbach bis nach Hollywood. Was sagt das über Deutschland?
Thomas Gottschalk ist eine lebende Legende der deutschen Unterhaltung. Seit mehr als 40 Jahren findet eine Karriere im Rampenlicht des Showbiz statt, die ihresgleichen sucht.
Die Präsenz von "Tommy", wie ihn seine Fans nennen, ist so groß, dass man sich seiner selbst dort erinnert, wo gar nicht von ihm die Rede ist: Am Anfang von Florian Illies' 20 Jahre alten Bestseller "Generation Golf".
Der beginnt, wie Jochen Werner vom legendären stählernen Filmclub STUC beschreibt, in der Badewanne und in vorfreudiger Erwartung des gemeinsamen "Wetten, dass..?"-Schauens - eine "Urszene der bundesrepublikanischen 1980er-Jahre". Auch wenn die Show bis 1987 von Erfinder Frank Elstner moderiert wurde.
Thomas Gottschalk kam durchs Radio ins Fernsehen, und diesen Weg pflastern, man könnte sagen, von Beginn an Kinofilme. Zuerst sind das die Kollaborationen mit dem Komiker Mike Krüger –von "Piratensender Powerplay" (1981) über die "Supernasen"-Abenteuer bis hin zu "Die Einsteiger" (1985).
Dem Film also, der "als bundesrepublikanische Antwort auf David Cronenbergs Bodyhorror-Klassiker 'Videodrome'" gilt (Thomas Groh in der "Siggi Götz Entertainment"). Filme fürs Kino, die mit einer leichten, retro-charmanten Verzögerung den Sinn und die Entwicklung von Massenmedien mitdenken.

Der geblieben, der er war

Selbstreferentialität funktioniert in Gottschalks filmischem Oeuvre aber nicht nur medial: Wo Shows wie "Na, sowas" konzeptlos einzig von ihrem Moderator zusammengehalten werden, der – ausgestattet allein mit der Fähigkeit, er selbst zu sein – noch aus den Untiefen des Entertainments anschlussfähig an bildungsbürgerliche Texte bleibt.
Auf diese Weise ist Gottschalk immer nur der geblieben, der er war – verweist das Rilke-Gedicht in Helmut Dietls schiefer Höllenfahrt durchs deutsche Unterhaltungswesen "Late Show" (1999) zurück zur Bibel-Referenz aus "Piratensender Powerplay" (1981). Lässt sich Gottschalks DDR-Erfinder Gunter Schmidt in "Trabbi goes to Hollywood" (1991) als Appropriationsfigur sowohl zurückdenken zu "Rapper's Deutsch" als hiesige Version des Sugarhill Gang Hits "Rapper's Delight" als auch als Vorwegnahme von Gottschalks Auftritt in der traurigen "Die letzte Instanz"-Show verstehen, in der sich über abwertende Soßennamen beömmelt wird.
Dieses Werk bilanziert die Sendung, die außerdem mit dem Finger über die Regale im Archiv gefahren ist, um den Staub da abzuwischen, wo sich Zeugnisse eigener Schönheit finden: Aufnahmen, in denen das alles schon klar war, weshalb sie heute wie ein eigenartiges Echo tönen. Kinderfunk und Kulturkritik oder: "Props gehen raus zu RIAS 1".
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