Thomas Hippler: "Die Regierung des Himmels. Globalgeschichte des Luftkriegs"Aus dem Französischen von Daniel Fastner
Matthes & Seitz, Berlin 2017
272 Seite, 24 Euro
Von der Erfindung des Bombenkriegs
In seiner Globalgeschichte des Luftkriegs schildert Historiker Thomas Hippler, wie der Bombenkrieg zur Aufhebung des Unterschieds zwischen Soldaten und Nicht-Kombattanten geführt hat. Ein kluger Essay über das Verhältnis von Demokratie und Krieg.
"Globalgeschichte des Luftkriegs" – dieser Untertitel klingt nach einem enzyklopädischen Wälzer. Das Buch des in Frankreich lehrenden Historikers Thomas Hippler ist jedoch kein Nachschlagewerk, sondern ein kluger Essay, der historische Darstellung, Kulturgeschichte des Krieges und die politische Philosophie der Bombe zusammenführt.
Hierzulande wird die Entfesselung des Bombenkriegs oft mit Guernica und dem Einsatz der deutschen Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg assoziiert. Der Luftkrieg, so Hippler, hatte jedoch eine bedeutende koloniale Vorgeschichte. Die ersten Städte und Orte, die Bombenangriffen ausgesetzt waren, lagen außerhalb Europas: in Libyen, Afghanistan, Syrien, Somalia und im Irak. Es waren englische und französische Militärs, die das Konzept des strategischen Bombens in Zusammenhang mit der kolonialen Herrschaftspraxis entwickelten und dabei Anregungen von Publizisten wie H. G. Wells aufgriffen.
Anstatt Flugzeuge nur taktisch zur Unterstützung von Bodenoffensiven einzusetzen (wie es bis in den Zweiten Weltkrieg die deutsche Luftwaffe tat, die deshalb keine größeren Bomber entwickelte), geht es beim strategischen Bombardement um das Terrorisieren und Disziplinieren von Zivilbevölkerungen aus der Luft.
Bomben statt Stellungskrieg
Hintergrund ist die Aufhebung der Unterscheidung von Soldaten und Nicht-Kombattanten, die später als "totaler Krieg" bezeichnet wird, sich zunächst aber beim Niederschlagen antikolonialer Aufstände geltend macht ("Police Bombing"). Dass der Luftkrieg "demokratischer Natur" sei, weil die Bevölkerung zum Angriffsziel werde, klingt wie eine zynische Pointe. Der Bombenkrieg ist asymmetrisch – er richtet sich nicht gegen einen respektablen Widersacher, sondern gleicht einem Polizeieinsatz gegen "Barbaren".
Hippler skizziert zunächst die utopischen Verheißungen, die mit der grenzüberwindenden und vermeintlich friedensstiftenden Fliegerei verbunden waren. Bald aber erhofften sich frühe maßgebliche Theoretiker des Luftkrieges wie der Italiener Giulio Douhet ("Luftherrschaft", 1921) von großangelegten Bombardements der zivilen und ökonomischen Zentren des Gegners eine neue Möglichkeit, auf rasche und vergleichsweise "schonende" Art Konflikte zu entscheiden, die sich ansonsten in den ungeheuren Materialschlachten des Stellungskrieges zu verfestigen drohten.
Vom Argument des "Moral Bombing"
Das alliierte "Moral Bombing" im Zweiten Weltkrieg war jedoch ineffektiv. Weder die Ausschaltung der Infrastruktur noch die Demoralisierung der deutschen Bevölkerung gelangen in nennenswertem Maß. Erst die Bodenoffensive führte zum Sieg über das Dritte Reich. Ebenso wenig habe die Atombombe den Krieg im Pazifik entschieden, argumentiert Hippler.
Am Ende widmet er sich der "Regierung des Himmels", wie sie gegenwärtig von den Vereinigten Staaten ausgeübt wird – den präzisen Luftschlägen mittels hypermoderner Drohnen, die zu Symbolen des "neuen" postheroischen Krieges geworden sind. Eines Krieges jedoch, der wie vor hundert Jahren das Erscheinungsbild von Polizeioperationen gegen "Schädlinge" zeige. Er ist das Mittel einer "Weltinnenpolitik", die nicht zur Befriedung führt, weil der aus der Luft geführte Krieg dazu prinzipiell nicht in der Lage ist.
Hipplers Essay ist so anregend wie aspektreich. Er arbeitet die Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen der Luftkriegskonzepte heraus und verfolgt als Leitmotiv die Wandlungen im Verhältnis von Demokratie und Krieg.