Thomas Klupp: "Wie ich fälschte, log und Gutes tat"
Roman. Berlin Verlag
Berlin 2018
256 Seiten, 20 €
Wie man es in der Provinz (gar nicht) aushält
Nach seinem vielversprechenden Debüt "Paradiso" (2009) legt Thomas Klupp nun seinen zweiten Roman vor und der führt uns wieder in das oberpfälzische Weiden, hinein in die Teenagerhölle von Benedikt Jäger. Selten war das Provinzleben so lustig wie hier.
Man hat das ja kaum noch für möglich gehalten: Dass Thomas Klupp nach seinem vielversprechenden Debütroman "Paradiso" tatsächlich einen weiteren Roman folgen lassen würde. Nicht weil er das Potential nicht hätte, Klupp gar schon alles gesagt hätte. Aber die Zeit nach dem Frühjahr 2009, als "Paradiso" erschien, wurde länger und länger.
Klupp, der in Hildesheim kreatives Schreiben gelernt hat und 1977 in Erlangen geboren wurde, arbeitet inzwischen selbst als Dozent in Hildesheim, und mehr als ein Auftritt und Text beim Bachmann-Preislesen 2011 gab es von ihm in fast zehn Jahren nicht. Immerhin bekam er in Klagenfurt für seinen Text den Publikumspreis.
Nun hat Thomas Klupp aber doch wieder einen Roman geschrieben, und was für einen: "Wie ich fälschte, log und Gutes tat" heißt der etwas umständlich und kryptisch. Ein Titel, der nach der Lektüre aber sehr smart und klar wirkt.
Held hat einen aufgekratzten Ton
Wie in seinem Coming-of-Age-Roman "Paradiso" hat es Klupp wieder in das oberpfälzische Städtchen Weiden verschlagen, dieses Mal aber auf die gesamte Romanlänge. Schienen in "Paradiso" alle Wege unweigerlich nach Weiden zu weisen, führt dieses Mal erstmal keiner heraus.
Der Ich-Erzähler Benedikt Jäger ist gerade einmal 15, 16 Jahre alt, geht in die 10. Klasse eines Gymnasiums und führt auf den ersten Blick ein unspektakuläres Teenager-Leben. Wohnt bei seinen Eltern, Vater ist Arzt, Mutter Hausfrau und Arzt-Repräsentantin in Weiden. Benedikt hat es, weil doch faul, nicht leicht in der Schule, spielt Tennis, stromert mit seinen Freunden umher, ist dem Alkohol und dem Marihuana nicht abgeneigt.
Thomas Klupp macht jedoch mit seinen literarischen Mitteln die vier Monate im Leben von Benedikt Jäger, in denen der Roman spielt, von Mitte September bis Ende des Jahres, zu recht spektakulären Monaten, zu einem aufregenden Leben. Ihm ist es gelungen, einen sehr authentischen, schön aufgekratzten Ton für seinen Helden zu finden.
Der schnoddert hier drauflos, dass es eine Freude ist, redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und was passiert ihm nicht alles: Er und seine den Drogen durchaus zusprechenden Freunde machen bei einer Antidrogen-Kampagne mit und sind überall in der Stadt auf Plakaten zu sehen auf denen steht: "Geh ans Limit! Ohne Speed!".
Man muss Humor haben
Benedikt muss sich mit seiner wohlmeinenden Direktorin Fürstenberg und dem ihm übelwollenden Mathelehrer Sargnagel herumschlagen. "Sargnagel ist: ein kranker Sadist. Fürstenberg: die Stasi 2.0. Und die Plakate: mein Untergang."
Vor allem ist Benedikt wirklich ein großer Fälscher vor dem Herrn, so wie er eigentlich jede Klausur, die er in den Sand setzt, mit Unterschriften seiner Eltern versieht oder gleich ganz die Ergebnisse noch zu seinen Gunsten verändert - bis hin zu dem Tag, da er und seine Freunde bei Sargnagel zuhause sich der Mathearbeiten bemächtigen und einiges an Ungemach passiert.
Einer der Höhepunkte ist das Tennismatch seiner Mannschaft in der noch tieferen Provinz als Weiden, gegen die von Grafenwöhr; eine leichte Übung für sie als Champions. Doch in Grafenwöhr wird tatsächlich mit allen fiesen und unfairen Mitteln gearbeitet. Hier ist die Provinz wirklich eine Hölle.
Aber auch Weiden ist nicht ohne, und so wie Benedikt noch aus jedem seiner Erlebnisse Pointenkapital schlägt, so gelingt es Klupp wie nebenbei die Provinz zu porträtieren. In der lässt es sich gleichermaßen leben wie eigentlich überhaupt nicht aushalten.
Man muss halt Humor haben, und so viel gelacht wie hier hat man lange nicht mehr bei der Lektüre eines deutschsprachigen Romans. Thomas Klupp hat das Versprechen, das "Paradiso" war, doch noch eingelöst. Nun wäre es schön, wenn er nicht wieder neun lange Jahre warten würde mit einem Nachfolger. Und der darf ruhig wieder in Weiden spielen.