Thomas Mann, der Romantiker
Im Thomas-Mann-Archiv in Zürich ist der Mitschnitt eines Wunschkonzerts im Süddeutschen Rundfunk aufgetaucht - eine Rarität aus dem Jahr 1954. Darin liest der 79-jährige Mann Passagen aus seinen Romanen zu Musikstücken der Romantik.
Thomas Mann: "Dieses Verhältnis war in der Tat immer ein Liebesverhältnis. Was nun den Auftrag betrifft, mich an dieser hübschen musikalischen Veranstaltung zu beteiligen, so war mein bereitwilliges Ja auch der Ausfluss meines herzlichen und tiefen, interessierten Verhältnisses zur Musik."
Bei der "hübschen musikalischen Veranstaltung" handelte es sich um ein Wunschkonzert aus der Reihe "Wer wünscht was?" im Süddeutschen Rundfunk. Entdeckt wurde diese Rarität aus dem Jahre 1954 im Thomas-Mann-Archiv in Zürich. Näheres dazu findet sich in dem sehr lesenswerten Booklet.
Thomas Mann kam damals, obwohl schon 79 Jahre alt und "körperlich sehr hinfällig" ins Studio, erzählte von seinen - und seiner Romanhelden - musikalischen Vorlieben und las entsprechende Passagen aus "Der Zauberberg" und "Doktor Faustus" zu sorgfältig ausgewählten Musikstücken der Romantik.
Den Anfang machte das Vorspiel zu Wagners "Lohengrin".
Thomas Mann: "Ich erinnere mich, wie ich als Schüler wiederholt in dem einigermaßen unzulänglichen Lübecker Stadttheater den 'Lohengrin' hörte, 'Lohengrin'. Es ist ein herrliches Stück, der Gipfel der Romantik."
Thomas Mann hatte sich - auch dank seines geliebten Grammofons - zeitlebens intensiv mit den Interpreten seiner Zeit befasst und besaß eine große Plattensammlung. Und so hören wir auf dieser CD Aufnahmen aus der Zeit zwischen 1936 und 1953: Wagners "Lohengrin"-Vorspiel, Debussys "Prélude à l-après-midi d‘un faune", das Schubert-Lied "Im Dorfe", Schumanns Lied "Zwielicht" und Beethovens dritte Leonoren-Ouverture.
Man lauscht aber auch mit fast ebensolchem Gewinn dem großen Musikliebhaber Thomas Mann selbst:
"Dieses Stück von Debussy gehört zu den Lieblingsplatten meines jungen Helden Hans Castorp, und da wird erzählt, wie er diesem Idyll lauscht, einem raffinierten Idyll, wie er sagt."
Thomas Mann liest aus "Der Zauberberg": "Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, von Sonne beglänzten Wiese, seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, an einem kleinen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, und so stieg das sorglose Genäsel zum tiefblauen Himmel auf, der junge Faun war sehr glücklich."
Trotz ihrer Kürze von nur wenigen Minuten lassen diese Romanzitate die reiche Thomas Mann'sche Bilderwelt im Kopf entstehen, und seine große Liebe zur Musik teilt sich uns mit:
Thomas Mann zu Schuberts "Im Dorfe": "Das Lied, das ist eine ganze Welt. Ich wollte gern was aus der Winterreise Schuberts sagen, dem schönsten Liederzyklus der Welt."
Thomas Mann war ein bekennender "Romantiker". Davon zeugt dieses Wunschkonzert - ein faszinierendes und wunderbar altväterliches Tondokument aus einer Zeit, in der man noch zugehört hat.
Thomas Mann zur dritten Leonoren-Ouverture: "Mit dieser Schlussnummer unseres Programms erhebt sich dieses in die Sphäre des erhabenen Klassizismus, erhebt sich zu Ludwig van Beethoven und seiner Leonoren-Ouverture Nr. 3."
Die dritte Leonoren-Ouverture, die meist vor dem Schlussbild der Oper "Fidelio" erklingt, ist dem Romanhelden Adrian Leverkühn in "Doktor Faustus" in unauslöschlicher Erinnerung:
"Tagelang hielt er nach jenem Abend die Partitur an sich und las darin, wo er ging und stand. Lieber Freund, sagte er, das ist ein vollkommenes Musikstück."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Thomas Mann: Mein Wunschkonzert
Der Hörverlag, München 2010
1 CD, 57 Minuten, 14,95 Euro
Bei der "hübschen musikalischen Veranstaltung" handelte es sich um ein Wunschkonzert aus der Reihe "Wer wünscht was?" im Süddeutschen Rundfunk. Entdeckt wurde diese Rarität aus dem Jahre 1954 im Thomas-Mann-Archiv in Zürich. Näheres dazu findet sich in dem sehr lesenswerten Booklet.
Thomas Mann kam damals, obwohl schon 79 Jahre alt und "körperlich sehr hinfällig" ins Studio, erzählte von seinen - und seiner Romanhelden - musikalischen Vorlieben und las entsprechende Passagen aus "Der Zauberberg" und "Doktor Faustus" zu sorgfältig ausgewählten Musikstücken der Romantik.
Den Anfang machte das Vorspiel zu Wagners "Lohengrin".
Thomas Mann: "Ich erinnere mich, wie ich als Schüler wiederholt in dem einigermaßen unzulänglichen Lübecker Stadttheater den 'Lohengrin' hörte, 'Lohengrin'. Es ist ein herrliches Stück, der Gipfel der Romantik."
Thomas Mann hatte sich - auch dank seines geliebten Grammofons - zeitlebens intensiv mit den Interpreten seiner Zeit befasst und besaß eine große Plattensammlung. Und so hören wir auf dieser CD Aufnahmen aus der Zeit zwischen 1936 und 1953: Wagners "Lohengrin"-Vorspiel, Debussys "Prélude à l-après-midi d‘un faune", das Schubert-Lied "Im Dorfe", Schumanns Lied "Zwielicht" und Beethovens dritte Leonoren-Ouverture.
Man lauscht aber auch mit fast ebensolchem Gewinn dem großen Musikliebhaber Thomas Mann selbst:
"Dieses Stück von Debussy gehört zu den Lieblingsplatten meines jungen Helden Hans Castorp, und da wird erzählt, wie er diesem Idyll lauscht, einem raffinierten Idyll, wie er sagt."
Thomas Mann liest aus "Der Zauberberg": "Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, von Sonne beglänzten Wiese, seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, an einem kleinen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, und so stieg das sorglose Genäsel zum tiefblauen Himmel auf, der junge Faun war sehr glücklich."
Trotz ihrer Kürze von nur wenigen Minuten lassen diese Romanzitate die reiche Thomas Mann'sche Bilderwelt im Kopf entstehen, und seine große Liebe zur Musik teilt sich uns mit:
Thomas Mann zu Schuberts "Im Dorfe": "Das Lied, das ist eine ganze Welt. Ich wollte gern was aus der Winterreise Schuberts sagen, dem schönsten Liederzyklus der Welt."
Thomas Mann war ein bekennender "Romantiker". Davon zeugt dieses Wunschkonzert - ein faszinierendes und wunderbar altväterliches Tondokument aus einer Zeit, in der man noch zugehört hat.
Thomas Mann zur dritten Leonoren-Ouverture: "Mit dieser Schlussnummer unseres Programms erhebt sich dieses in die Sphäre des erhabenen Klassizismus, erhebt sich zu Ludwig van Beethoven und seiner Leonoren-Ouverture Nr. 3."
Die dritte Leonoren-Ouverture, die meist vor dem Schlussbild der Oper "Fidelio" erklingt, ist dem Romanhelden Adrian Leverkühn in "Doktor Faustus" in unauslöschlicher Erinnerung:
"Tagelang hielt er nach jenem Abend die Partitur an sich und las darin, wo er ging und stand. Lieber Freund, sagte er, das ist ein vollkommenes Musikstück."
Besprochen von Sigrid Menzinger
Thomas Mann: Mein Wunschkonzert
Der Hörverlag, München 2010
1 CD, 57 Minuten, 14,95 Euro