Thomas Mann fürs Theater
Den Klassiker "Joseph und seine Brüder" von Thomas Mann hat der Schriftsteller John von Düffel in ein sechsstündiges Stück für die Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses umgesetzt. Spannung und suggestive Kraft des Abends liegen vor allem in der Konzentration auf das Mann'sche Sprach-Universum und das intensive Spiel der Darsteller.
70.000 Zeilen umfasst der vierbändige Roman "Joseph und seine Brüder". Thomas Mann, um rhetorische Kniffe nie verlegen, griff gern zu dieser schwindelerregenden Zahl, um seine Zuhörer deutlich spüren zu lassen, was ihn 16 Jahre Arbeit gekostet hatte. Als er Ende der Zwanzigerjahre gleich nach Vollendung des "Zauberbergs" mit dem biblischen Stoff begann, hatte die Geschichte in seiner Vorstellung noch den Umfang einer Novelle. Als er das letzte Kapitel schrieb, waren beinah 2000 Seiten gefüllt. Die Welt befand sich mitten im Zweiten Weltkrieg; Thomas Mann hatte das Ende der Republik und die Machtergreifung der Nazis erlebt, war nach einer Zwischenstation in der Schweiz im amerikanischen Exil angekommen.
Bei aller scheinbaren Ferne zu dieser damaligen Gegenwart war "Joseph und seine Brüder" auch eine Antwort auf die Zeitumstände, ein radikaler Gegenentwurf. Wo die Nazis ihren Gründungsmythos im nordisch-düsteren, destruktiv endenden Nibelungenlied fanden, da beschwor Thomas Mann eine orientalisch-heitere, lebensbejahende, nicht in Rache badende, sondern versöhnende und verzeihende Geschichte als Alternativmodell.
Auch Joseph möchte ein "Erwählter" sein, einer, den die göttliche Vorsehung für große Taten vorbestimmt hat. Aber, so enthüllt es der Lauf der Geschichte: Es kommt gar nicht darauf an, diesen besonderen "Segen" zu haben, es kommt darauf an, mit dem Selbstbewusstsein, der Tatkraft und dem Ethos zu handeln, als ob man ihn hätte. Die Energie, die dadurch freigesetzt wird, schafft Zivilisation und macht "Gott" oder jede andere sinnstiftende höhere Instanz entbehrlich. Das ist die humane und emanzipatorische Botschaft, die Thomas Mann der Ideologie seiner Zeit entgegensetzte.
Sie mag auch für heute gelten, wo fundamentalistisches Sendungsbewusstsein wieder zur Gefahr zu werden droht. John von Düffels Bearbeitung arbeitet diesen Grundgehalt des Romans jedenfalls deutlich heraus, lässt viele Seitenwege und Nebenfiguren aus und erzählt die Kernepisoden in epischer Breite, mit langem Atem, und vielen, vielleicht zu vielen Wiederholungen.
Ein Strukturelement des Romans von Thomas Mann ist es, die Geschichte als eine Folge von vorgeprägten Mustern erscheinen zu lassen, in die die Figuren sich hineinfinden. Dieser sinnstiftende Wissensvorsprung eines Erzählers kann auf der Bühne ohnehin nicht eingelöst werden. Deshalb erscheint die Anlage dieser Bühnenfassung vor allem am Anfang zu breit und redundant. Sechs Stunden sind eine exorbitante Länge für eine Theatervorstellung, und Ökonomie und Proportion des Abends laufen dem Bearbeiter phasenweise aus dem Ruder. (Und der Regisseur steuert auch nicht wirksam dagegen).
Gelungen dagegen ist eine Übertragung des sprachlichen Universums, das Thomas Mann in diesem Epos schafft, auf die Bühne. John von Düffel macht aus erzählenden Passagen vielstimmige Chöre, übernimmt vieles aus dem Dialog, und wo er Übergänge und Zusammenfassungen schaffen muss, gelingt ihm das mit einer sprachlichen Subtilität und stilistischen Sensibilität, die keine Brüche und Abfälle entstehen lassen.
Auch die Inszenierung von Wolfgang Engel setzt ganz auf die Sprache und die Kraft der Bilder, die sie hervorruft. Auf einer leeren Spielfläche agieren die Darsteller; die Zuschauer sitzen auf vier Tribünen an den Seiten dieser Arena, in denen sich die Auseinandersetzungen der biblischen Geschichte abspielen: Josephs Kampf mit den Brüdern, die ihm seine Bevorzugung durch den Vater neiden und ihn in den Brunnen werfen, sein zweites Leben in Ägypten, wo er vom Sklaven zum Statthalter des Pharaos aufsteigt, schließlich die Wiederbegegnung mit den Brüdern, der Verzicht auf Rache und die Zusammenführung der lange getrennten Familie.
Es gibt nur sparsam angedeutete Kostüme, kaum Requisiten, wenig Stimmungsmalerei durch Licht und Ton. Die Spannung und die suggestive Kraft des Abends liegen allein in der Konzentration auf die Sprache und die Intensität, die die Darsteller den Situationen verleihen. Ein kleines Ensemble von acht Personen teilt sich dabei in die vielen Figuren dieses Bilderbogens. Und der Abend gewinnt seinen Reichtum und seine Farbigkeit vor allem durch die Präsenz und Spielfreude, mit der die Schauspieler auch winzige Episodenfiguren zum Leben erwecken. Unterstützt durch die große Nähe zwischen Darstellern und Zuschauern entsteht dadurch ein Sog, der auch über die Länge des Abends hinweg trägt und am Ende für einen ungetrübten Premierenerfolg in Düsseldorf sorgte.
Bei aller scheinbaren Ferne zu dieser damaligen Gegenwart war "Joseph und seine Brüder" auch eine Antwort auf die Zeitumstände, ein radikaler Gegenentwurf. Wo die Nazis ihren Gründungsmythos im nordisch-düsteren, destruktiv endenden Nibelungenlied fanden, da beschwor Thomas Mann eine orientalisch-heitere, lebensbejahende, nicht in Rache badende, sondern versöhnende und verzeihende Geschichte als Alternativmodell.
Auch Joseph möchte ein "Erwählter" sein, einer, den die göttliche Vorsehung für große Taten vorbestimmt hat. Aber, so enthüllt es der Lauf der Geschichte: Es kommt gar nicht darauf an, diesen besonderen "Segen" zu haben, es kommt darauf an, mit dem Selbstbewusstsein, der Tatkraft und dem Ethos zu handeln, als ob man ihn hätte. Die Energie, die dadurch freigesetzt wird, schafft Zivilisation und macht "Gott" oder jede andere sinnstiftende höhere Instanz entbehrlich. Das ist die humane und emanzipatorische Botschaft, die Thomas Mann der Ideologie seiner Zeit entgegensetzte.
Sie mag auch für heute gelten, wo fundamentalistisches Sendungsbewusstsein wieder zur Gefahr zu werden droht. John von Düffels Bearbeitung arbeitet diesen Grundgehalt des Romans jedenfalls deutlich heraus, lässt viele Seitenwege und Nebenfiguren aus und erzählt die Kernepisoden in epischer Breite, mit langem Atem, und vielen, vielleicht zu vielen Wiederholungen.
Ein Strukturelement des Romans von Thomas Mann ist es, die Geschichte als eine Folge von vorgeprägten Mustern erscheinen zu lassen, in die die Figuren sich hineinfinden. Dieser sinnstiftende Wissensvorsprung eines Erzählers kann auf der Bühne ohnehin nicht eingelöst werden. Deshalb erscheint die Anlage dieser Bühnenfassung vor allem am Anfang zu breit und redundant. Sechs Stunden sind eine exorbitante Länge für eine Theatervorstellung, und Ökonomie und Proportion des Abends laufen dem Bearbeiter phasenweise aus dem Ruder. (Und der Regisseur steuert auch nicht wirksam dagegen).
Gelungen dagegen ist eine Übertragung des sprachlichen Universums, das Thomas Mann in diesem Epos schafft, auf die Bühne. John von Düffel macht aus erzählenden Passagen vielstimmige Chöre, übernimmt vieles aus dem Dialog, und wo er Übergänge und Zusammenfassungen schaffen muss, gelingt ihm das mit einer sprachlichen Subtilität und stilistischen Sensibilität, die keine Brüche und Abfälle entstehen lassen.
Auch die Inszenierung von Wolfgang Engel setzt ganz auf die Sprache und die Kraft der Bilder, die sie hervorruft. Auf einer leeren Spielfläche agieren die Darsteller; die Zuschauer sitzen auf vier Tribünen an den Seiten dieser Arena, in denen sich die Auseinandersetzungen der biblischen Geschichte abspielen: Josephs Kampf mit den Brüdern, die ihm seine Bevorzugung durch den Vater neiden und ihn in den Brunnen werfen, sein zweites Leben in Ägypten, wo er vom Sklaven zum Statthalter des Pharaos aufsteigt, schließlich die Wiederbegegnung mit den Brüdern, der Verzicht auf Rache und die Zusammenführung der lange getrennten Familie.
Es gibt nur sparsam angedeutete Kostüme, kaum Requisiten, wenig Stimmungsmalerei durch Licht und Ton. Die Spannung und die suggestive Kraft des Abends liegen allein in der Konzentration auf die Sprache und die Intensität, die die Darsteller den Situationen verleihen. Ein kleines Ensemble von acht Personen teilt sich dabei in die vielen Figuren dieses Bilderbogens. Und der Abend gewinnt seinen Reichtum und seine Farbigkeit vor allem durch die Präsenz und Spielfreude, mit der die Schauspieler auch winzige Episodenfiguren zum Leben erwecken. Unterstützt durch die große Nähe zwischen Darstellern und Zuschauern entsteht dadurch ein Sog, der auch über die Länge des Abends hinweg trägt und am Ende für einen ungetrübten Premierenerfolg in Düsseldorf sorgte.