Der letzte Bürger
von Thomas Melle
Regie: Alice Buddeberg
mit: Wolfgang Rüter, Sophie Basse, Sören Wunderlich, u.a.
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Wenig psychologisches Futter
Thomas Melles neues Theaterstück "Der letzte Bürger" hatte in den Bonner Kammerspielen Premiere. Ulrike Gondorf war dabei und erlebte den Abend mit gemischten Gefühlen - weder die Inszenierung noch die Vorlage findet sie überzeugend.
Der Autor Thomas Melle schreibt über Menschen, deren Leben aus den Fugen gerät und sich am Rande der Gesellschaft wiederfinden. Das Thema im neuen Theaterstück aus der Feder des Bonner Autors ist ein Familienkonflikt.
"Es geht um eine Familie, die sich nochmal von seinem Partiarchen verabschieden möchte. Der Vater liegt im Sterben. Alle haben mit ihm ein großes Problem, zu wälzen. Das Familientrauma: Er ist mal Spion gewesen. Aus idealistischer Überzeugung hat er für die DDR spioniert. Dann ist er ins Gefängnis gekommen, die ganze Familie ist auseinandergebrochen. Bei dem Wiedersehen kommt es permament zur Situation 'Jeder gegen Jeden'. Jeder versucht den anderen zur Rechenschaft zu ziehen."
Vorhersehbare Geschichte
Doch je mehr dann diese Familie aufbricht und alle diese einzenen Streitpunkte abgehandelt werden, umso mehr habe man das Gefühl, dass das ein sehr abgenutztes Schema ist, dem Thomas Melle folgt.
"Obwohl der Abend nur zwei Stunden dauert wird es einem doch ziemlich lang. Melles Stück spielt am 9.November, konkret der Abend am 9.November 2016, als Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden ist. Und dann kommt der 9. November des Mauerfalls, der diesen Widerstreit der Blöcke einerseits - also diesem Konflikt zwischen politischen Ideologien die davor mal möglich waren und der der Vater angehangen hat. Er hat gedacht um die Nazi-Geschichte zu kompensieren, versucht er sich an einer anderen Utopie, einem besseren Deutschland, in dieser sozialistischen DDR zuzuwenden. Alles das ist gescheitert."
Konfliktpotential bleibt ungenutzt
In Melles Stück stehe diese politische Abrechnung nicht so sehr im Mittelpunkt. Stattdessen würden erwartbare Themen mit erwartbaren Mitteln abgehandelt. Und dies mache den Abend langatmig. Sei es die Familie, die ohne Vater zurechtkommen musste oder die Mutter, die zu häufig zur Flasche greift.
Die vom Autor vorgegeben Rückblenden werden mit Videoeinspielungen gelöst. Problematisch sei, dass hier ganz andere Schauspieler zu sehen sind und der Zuschauer sich ersteinmal zurechtfinden müsse.
"Dadurch nimmt die Regisseurin viele Spielanlässe heraus. Wenn man das Stück liest, weiß man nicht: wie soll das sein, wie soll sich jemand plötzlich in eine andere Zeit, in ein anderes Stadium seiner Figur zurückverwandeln. Aber diese Fragen wären ja gerade interessant in einer Inszenierung zu beantworten. Da könnte es ja ganz verschiedene Möglichkeiten geben. Da könnte etwas Theatralisches passieren auf der Bühne und zwischen den Figuren."
Stereotype Videoeinspielungen
Immer wenn die Vergangenheit dran kommt, würden Videofilme gezeigt. Das sei zu steril und begrenzend:
"Es gibt wenig Spielanlässe und wenig psychologisches Futter und wenig Plausibilität. Man kann nicht von starken Schauspielern erzählen am heutigen Abend, weil man auch nicht von starken Menschen erzählen kann, die da griffig werden in dieser dramatischen Vorlage und in dieser Inszenierung."