Thomas Metzinger: „Bewusstseinskultur“

Die Antworten liegen im inneren Selbst bereit

05:13 Minuten
Thomas Metzinger: „Bewusstseinskultur. Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise“. Das Cover ist blau mit weißer und hellblauer Schrift.
© Berlin Verlag

Thomas Metzinger

Bewusstseinskultur. Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare KriseBerlin Verlag, Berlin 2023

208 Seiten

22,00 Euro

Von Volkart Wildermuth |
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Angesichts vielfacher Krisen sieht der Philosoph Thomas Metzinger keinen Grund für Optimismus. Der Ausweg, den er in seinem neuen Buch beschreibt, ist eine Geisteshaltung, die westliche Wissenschaft mit östlichen Meditationspraxen verknüpft.
Die nächsten Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, werden angesichts vielfacher Krisen sehr schwer für die Menschheit. Es fehle weniger an technischen Lösungen als an dem Willen, sie umzusetzen, meint der Philosoph Thomas Metzinger.
Da dürften die Besetzer von Lützerath und die Klimakleber zustimmen. Metzinger nennt die Aktivisten „Freunde der Menschheit“. Dass sie Erfolg haben, hält er aber für wenig wahrscheinlich, denn die fatale Wachstumsideologie habe eine quasi biologische Basis: Die Evolution belohne das „Mehr“: mehr Nachkommen, mehr Ressourcen.

Optimismus ist keine Option

„Optimismus ist daher keine Option“, folgert Metzinger. Er rechnet schon bald mit einem „Panikpunkt“, an dem die Mehrheit realisiert, dass der Klimawandel real und praktisch nicht mehr aufzuhalten ist. Globale soziale Verwerfungen würden die Folge sein.
„Wie kann es gelingen, angesichts der planetaren Krise in Bewusstheit und Anmut zu scheitern?“, fragt der Philosoph - und sucht die Antwort im Inneren.
Entscheidend sei intellektuelle Redlichkeit: „die Weigerung, sich selbst in die Tasche zu lügen.“ Alle sollten die Fakten ernst nehmen und entsprechend handeln. Bequeme Denkverzerrungen und ideologische Wahnsysteme - darunter fallen hier auch die organisierten Religionen - müssten überwunden werden. Das alles gehört zum westlichen, rationalen Ansatz. Doch Metzinger will mehr.
„Uns fehlt eine neue Kombination von Herzensgegenwart und Geistesgegenwart“, schreibt er. Metzinger meditiert seit vielen Jahren und erforscht dabei philosophisch seine Erfahrungen.
Die östliche Praxis der Meditation sei ein eigener, komplementärer Weg zur Erkenntnis, betont er. Sie eröffne eine Perspektive, in der das Selbst verschwinde und der Geist dadurch bereit werde für Mitgefühl und andere Perspektiven.

Was genau sind „gute“ Bewusstseinszustände?

Leider sei das sprachlich nicht zu vermitteln, so der Autor. Und offenbart so auch die Hauptschwäche seines Buches. Was genau Metzinger unter einer neuen Bewusstseinskultur versteht, wird auf vielen Seiten umschrieben und bleibt dennoch schwammig.
Dabei beschäftigt sich der Philosoph schon seit vielen Jahren mit dem Thema. Eine Gesellschaft müsse „gute“ Bewusstseinszustände fördern, fordert er. Klingt gut. Doch wird nicht verraten, was genau gemeint ist.
Am konkretesten ist noch die Forderung nach Meditationsunterricht. Auch der Aufruf, Erkenntnisse der Hirnforschung zur Leidensfähigkeit von Tieren ernst zu nehmen, überzeugt. Aber es scheint doch zweifelhaft, dass das Ausloten neuer Bewusstseinszustände mit Hilfe von Neurotechniken oder Drogen beim Klimawandel helfen könnte.
Trotzdem funktioniert das Buch als Denkanstoß. Gerade weil es nicht um dramatische Klimakurven, sondern um so etwas vermeintlich Privates wie „intellektuelle Redlichkeit“ geht, kann man sich dem dringlichen Aufruf, etwas zu ändern, schlecht entziehen. Auch wenn Meditation wohl nur für eine Minderheit der richtige Lösungsansatz sein dürfte.
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