Ödön von Horváths "Jugend ohne Gott" nach wie vor aktuell
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Thomas Ostermeier, Intendant der Berliner Schaubühne, inszeniert bei den Salzburger Festspielen Ödön von Horvaths "Jugend ohne Gott". Ein Stück über den Aufstieg des Faschismus, das Ostermeier nach wie vor für aktuell hält.
Als inszenierender Intendant der Berliner Schaubühne ist Thomas Ostermeier einer der auch international erfolgreichsten deutschsprachigen Theaterregisseure und ein störrischer, analytischer Realist.
Vielleicht hat er auch deshalb jetzt den Autor Ödön von Horváth für sich entdeckt, der gerade sehr viele Theater im Land zu Neubefragungen und Inszenierungen inspiriert. Vergangenes Jahr hat Ostermeier dessen "Italienische Nacht" in Berlin auf die Bühne gebracht; im Augenblick probt er bei den Salzburger Festspielen an einer Bühnenfassung des Romans "Jugend ohne Gott", der ursprünglich 1937 veröffentlicht wurde.
Dass Ödön von Horváth wieder Autor der Stunde sein könnte, hofft Thomas Ostermeier nicht. "Er ist ja der Autor, auch im Fall von 'Jugend ohne Gott' zwischen 1935 und '37, der etwas beschrieben hat, was wir alle nicht wiedererleben wollen, nämlich den Aufstieg des Faschismus und des Nationalsozialismus."
Ostermeier kritisiert fehlende linke Jugendkultur
Die Aussagen des Horváth-Stückes, in dem ein Lehrer die fortschreitende Verrohung seiner Schüler beobachtet, ebenso wie ihr Abgleiten in die rechte Ideologie, hält Ostermeier trotzdem für ausgesprochen aktuell: "Wenn man hört, wie der Schüler N. sagt: 'Alle Afrikaner sind hinterhältig, feige und faul' – oder in einem Aufsatz schreibt: 'Die Afrikaner stehen zivilisatorisch unter uns und sind nicht lebenswert' – dann kriegt das einen ganz anderen Echoraum mit dem Unglück und der Katstrophe, dem Verbrechen, das im Mittelmeer gerade passiert, wo ein angeblich aufgeklärter Kontinent – Europa – Menschen an seinen Rändern verrecken lässt."
Da er in seiner Inszenierung der "Italienischen Nacht" nicht zuletzt die Schwäche der Linken zum Thema gemacht hat, musste sich Ostermeier starke Kritik gefallen lassen. Ostermeier aber zeigt sich weiter davon überzeugt, dass die Kräfte gegen Rechts vielerorts große Probleme hätten, die richtigen Strategien zu finden.
"Ich nehme auch wahr", so Ostermeier, "dass vieles, was Jugendkulturen früher Jugendlichen angeboten haben, als es noch eine Identität im Rock oder später im Punk gab, heute fehlt. Wir haben keine linke Populärkulturen, Protestkulturen. Und natürlich gibt es in jedem Heranwachsenden diesen Moment, die Elterngeneration komplett infrage zu stellen und möglicherweise auch zu provozieren oder zu empören, und das kann man heute, leider Gottes, eben nur noch, wenn man sich rechter Symbole bedient oder Rechtsrock hört."