"Wann kommt endlich der Aufschrei der Schauspieler?"
Nach den Äußerungen von Fabian Hinrichs zum zeitgenössischen Theater in Deutschland hat Regisseur Thomas Ostermeier dem Schauspieler weitgehend zugestimmt. Er wundere sich jedoch, dass die Kritik erst jetzt komme.
Mit seiner Kritik am zeitgenössischen Theater hatte der Schauspieler Fabian Hinrichs eine Debatte ausgelöst. Nach Herbert Fritsch erklärte nun auch der Regisseur Thomas Ostermeier im Deutschlandfunk Kultur, Hinrichs' Kritik nachvollziehen zu können - wenn auch mit Abstrichen.
Kritik als gutes Zeichen
"Ich habe mich immer gewundert, wann denn jetzt endlich der Aufschrei der Schauspieler kommt und wann der Schauspieler wieder sein Recht zurückerkämpft, auf der Bühne als Künstler wahrgenommen zu werden."
Besonders bemerkenswert sei, dass Hinrichs fordere, als Schauspieler auch in Koalition mit einem Autor wahrgenommen zu werden.
"Ich glaube, dass es sehr gute Bündnisse zwischen Autoren und Schauspielern gibt und dass das eigentlich nur die besten Bündnisse sind. Ein Regisseur könnte dann da sein, um diese Koalition liebevoll zu begleiten. Das ist so eine Idealvorstellung von Theater, und das lese ich aus der Kritik von Fabian Hinrichs heraus. Ich kann es eigentlich nur feiern, dass sich ein Schauspieler so selbstverständlich als Künstler darstellt und darauf wieder beruft."
Etwas Realismus tut gut
Nicht einverstanden ist Obermeier allerdings mit Hinrichs' Position, dass Poesie im Theater das einzig Radikale im Theater sein könne:
"Das höre ich zu oft in Frankreich, wo sich die Leute oft die Kraft der Poesie zurückwünschen. Diese Theaterkultur hat sich da so ein bischen verpuppt in seiner Liebe zum Wort und einer gewissen Nostalgie gegenüber einem deklamierenden und wortverliebten Literaturtheater. Da wäre ich vorsichtig und da braucht man noch einen Schuss Wirklichkeit und eine Sehnsucht nach realistischer Abbildung von Verhaltensweisen von Menschen."
Gesellschaftliche Probleme sind nicht auf der Bühne zu lösen
Gesellschaftliche Probleme, wie etwa das Flüchtlingsproblem oder Nationalismus, könne man nicht auf der Bühne lösen, auch wenn dies manchmal reflexhaft versucht werde. Und das sei auch keine neue Enwicklung:
"Man braucht nur an die politischen Revuen von Erwin Piscator in den 20er-Jahren denken, der auch versucht hat auf tagespolitische Ereignisse zu reagieren. Das ist alles im Theater legitim, wie alles im Theater legitim ist. Die Kunst ist frei, und die ist auch im Theater frei. Und deshalb darf jeder machen was er will, und deswegen darf auch Fabian Hinrichs sagen: 'Es lebe die Freiheit des Schauspielers'".