Die Ausstellung "Thomas Schütte" ist noch bis zum 6. Oktober 2019 im Kunsthaus Bregenz zu sehen. Täglich von 10-20 Uhr.
Männer stehen, Frauen liegen
05:38 Minuten
Für das Kunsthaus Bregenz ist Thomas Schütte der bedeutendste Bildhauer Deutschlands. Nun ist er dort eingeladen zu einer großen Sommerschau. Die strotzt vor plastischer Energie. Sein Geheimnis: "Man muss nur jeden Tag was machen."
Wie ein Untier aus einer Fantasy-Geschichte hockt ein grünlich patiniertes Fabelwesen aus Bronze vor der Fassade des Bregenzer Kunsthauses: 3,50 Meter hoch, vier Meter lang, zwei Tonnen schwer. Es hat den Kopf eines Drachens, die Flossen einer Robbe und den Schwanz eines Fischs.
Ab und zu schnaubt es Wasserdampf aus seinen Nüstern. Die Passanten sind begeistert und machen Selfies, Kinder kichern und klettern dem freundlich fauchenden Monster auf den Kopf.
"Drittes Tier" hat Thomas Schütte seine Kreatur genannt, doch wie das Ding zu deuten sei? Keine Ahnung, sagt er. Die Inspiration dazu sei ihm gekommen, als er mit Knetfiguren für seine Kinder experimentierte. Man sieht: Der Mann hat Humor, Berührungsängste kennt er nicht. Es gehe nichts über einen guten Witz, sagt er.
Ab und zu schnaubt es Wasserdampf aus seinen Nüstern. Die Passanten sind begeistert und machen Selfies, Kinder kichern und klettern dem freundlich fauchenden Monster auf den Kopf.
"Drittes Tier" hat Thomas Schütte seine Kreatur genannt, doch wie das Ding zu deuten sei? Keine Ahnung, sagt er. Die Inspiration dazu sei ihm gekommen, als er mit Knetfiguren für seine Kinder experimentierte. Man sieht: Der Mann hat Humor, Berührungsängste kennt er nicht. Es gehe nichts über einen guten Witz, sagt er.
Viel gelernt von Helge Schneider
Im Humoristen Helge Schneider sieht er einen Geistesverwandten, und wenn er seine Arbeit kommentiert, ist das mitunter erstaunlich trocken und lapidar: "Ich hab viel gelernt von Helge Schneider, muss ich sagen. Also, wie der mit drei dummen Sprüchen den Gedanken gut ausheben kann. Das ist so ein super Spruch von dem: Das Glück liegt auf der Straße. Man darf nur nicht reintreten."
Auf der Straße, in der Fußgängerzone am Kunsthaus, stehen noch zwei weitere Bronzefiguren, jede gut vier Meter hoch – mächtige Mannsbilder. Die eine Figur trägt ihr Gesicht in der Hand, die andere hält eine schlaffe Fahne. Beide stecken bis zu den Waden in ihren Sockeln fest. Es sind kolossale Gestalten, mit denen Schütte in der Tradition öffentlicher Denkmäler steht, sagt Kunsthaus-Direktor Thomas Trummer:
"Nun, er rekurriert auf die Situation des 19. Jahrhunderts, auf die realistische Skulptur, auch auf die öffentliche Skulptur. Heroen, Helden, Politiker, Führer, die man damals aufgestellt hat. Aber bei ihm sind sie natürlich immer fragwürdig. Die hadern, die wissen nicht wohin, die stecken im Matsch, die tragen eine schlaffe Fahne. Alles das ist ein bisschen ironisch, aber natürlich auch ernsthaft. Es geht um die Frage: Was ist das, so ein Standbild und was wollen wir damit? Was ist das für ein Zeichen?" Schütte selbst weiß das auch nicht so genau, aber es seien wohl Kommentare zur aktuellen Situation der Welt.
Vier Etagen thematisch bestückt wie ein Regal
Im Kunsthaus selbst hat der Bildhauer die vier Etagen thematisch bestückt wie ein Regal. Ganz oben drei einzelne Kolosse aus Bronze: "Männer im Wind". Auch ihre Beine versinken zur Hälfte in den Sockeln, sie schwanken und straucheln. Trotz ihrer stattlichen Muskelpakete sind sie verlorene, tragische, gebeutelte Gestalten.
An den Wänden hängen minutenschnell aquarellierte Porträts von Blues-Sängern wie B. B. King oder John Lee Hooker, ebenso flott wie genial vom Bildschirm abgepinselt – routinierte Fingerübungen, bei Privatsammlern sehr begehrt.
Dann ein Saal mit Schüttes Architekturmodellen, darunter bunkerartige Gehäuse, Schächte oder seine berühmten "Ferienhäuser für Terroristen", aber auch sein frühestes Modell von 1981, sein eigenes Grabmal: vorne Grabstein, hinten Wartehäuschen, knallrot.
An den Wänden hängen minutenschnell aquarellierte Porträts von Blues-Sängern wie B. B. King oder John Lee Hooker, ebenso flott wie genial vom Bildschirm abgepinselt – routinierte Fingerübungen, bei Privatsammlern sehr begehrt.
Dann ein Saal mit Schüttes Architekturmodellen, darunter bunkerartige Gehäuse, Schächte oder seine berühmten "Ferienhäuser für Terroristen", aber auch sein frühestes Modell von 1981, sein eigenes Grabmal: vorne Grabstein, hinten Wartehäuschen, knallrot.
Acht nackte Frauenleiber
Auch seinen Todestag hat er dort vermerkt: den 23. März 1996. Das Datum hat Schütte seit nunmehr 23 Jahren glücklich überlebt, ein beruhigendes Gefühl: "Ich muss da immer schmunzeln, wenn ich davor stehe. Aber es ist sehr beruhigend, einen Stein im Keller zu haben."
Im Raum darunter liegen acht nackte Frauenleiber aus Aluminium und Stahl auf Tischen. Manche der Körper sind hochglanzpoliert oder lackiert, andere rostig und rau. Einige räkeln sich erotisch, andere wirken geschunden und gequält, verdreht, verletzt und amputiert.
Im Raum darunter liegen acht nackte Frauenleiber aus Aluminium und Stahl auf Tischen. Manche der Körper sind hochglanzpoliert oder lackiert, andere rostig und rau. Einige räkeln sich erotisch, andere wirken geschunden und gequält, verdreht, verletzt und amputiert.
Dabei fällt auf: Schüttes Männer dürfen stehen, die Frauen müssen liegen. Oder andersherum: Die Männer müssen stehen, die Frauen dürfen liegen.
Eine bemerkenswerte Rollenverteilung, die in der Kunst Tradition hat. Aber, sagt Schütte: "Ja, andersrum würde nicht funktionieren. Man muss sich das mal durch den Kopf gehen lassen, was das eigentlich heißt. Aber andersrum geht das ja gar nicht."
Schau in Bregenz strotzt vor plastischer Energie
Schütte rechnet sich ausdrücklich nicht zur Avantgarde seiner Zunft, doch produktionstechnisch geht er mit der Zeit. Er arbeitet mit 3D-Scannern und Computern, vergrößert damit Spielzeugfiguren oder eigene Modelle bis auf das Fünfzigfache, um sie dann zu überarbeiten. Spezialisten besorgen meist den Rest: Bronzegüsse, Metallarbeiten, Köpfe aus Glas, riesige Holzschnitte, Keramiken, Bauwerke. Seine Schau in Bregenz strotzt vor plastischer Energie.
Auf die Frage, wie er das enorme Pensum schafft, kommt eine Antwort, die auch gut von Helge Schneider stammen könnte: Immer mit der Ruhe. "Das Geheimnis ist, glaube ich: Ich schlafe elf Stunden am Tag. Ich bin auch nicht so getrieben, wie das so aussieht von außen. Aber wenn jeder Handgriff sitzt, ist das relativ einfach. Man muss nur jeden Tag was machen."
Auf die Frage, wie er das enorme Pensum schafft, kommt eine Antwort, die auch gut von Helge Schneider stammen könnte: Immer mit der Ruhe. "Das Geheimnis ist, glaube ich: Ich schlafe elf Stunden am Tag. Ich bin auch nicht so getrieben, wie das so aussieht von außen. Aber wenn jeder Handgriff sitzt, ist das relativ einfach. Man muss nur jeden Tag was machen."