Thor Hanson: "Federn – Ein Wunderwerk der Natur"
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2016
276 Seiten, 38 Euro
Kurzweiliger Blick in die Naturgeschichte
Der amerikanische Biologe Thor Hanson hat ein wunderbares Buch über Federn geschrieben. Es besticht nicht nur durch Inhalt und Kenntnisreichtum, sondern auch durch seine Aufmachung.
"Wann immer ich der Schwanzfeder eines Pfaus ansichtig werde", gestand der Übervater der Evolutionsforschung Charles Darwin, "macht mich das ganz krank!" In seinem Buch "Federn" listet der amerikanische Biologe Thor Hanson die Fragen auf, die Darwin schier verzweifeln ließen: Auf welche Weise haben sich Federn im Laufe der Naturgeschichte entwickelt? Gab es etwas Ähnliches schon bei den Dinosauriern? Und wenn Federn zum Fliegen gut sind – warum um alles in der Welt statten sich so viele männliche Vögel dann mit Schmuckfedern aus, die schon einen normalen Fußgang erheblich erschweren?
Ausflüge in die Kulturgeschichte
Alles das beantwortet Thor Hanson in seinem Buch – und noch viel mehr. Er unternimmt Ausflüge in die Kulturgeschichte, erzählt vom Handel mit Daunenfedern und dem Gebrauch des Vogelkleids als Zahnstocher, Staubwedel, Schreibfeder, Puderquaste oder Hut- und Körperschmuck.
Er steigt tief in die Evolution ein, besucht Paläontologen zwischen Saurierfossilien und lässt sie ihre Debatten und Theorien ausbreiten. Er bereist Küstengebiete, um Sturmvögel und Schwarzaugenalbatrosse aus nächster Nähe zu erkunden. Im heimischen Garten stellt er geologische Prozesse nach und versenkt Vogelfedern unter Schlamm und Asche, um ihre Versteinerung im Zeitraffer zu katalysieren. Er legt Federn unter das Mikroskop und berichtet mit ansteckender Begeisterung, wie komplex sie konstruiert sind – komplexer als jede andere natürliche Körperoberfläche auf der Erde.
Federn in den unterschiedlichsten Größen
Derselbe Vogel trägt Federn in den unterschiedlichsten Größen, weiß Thor Hanson. So sind die berühmten Schwanzfedern der Pfaue mit ihrem blau schimmernden Auge, die Charles Darwin so ins Grübeln brachten, 1500 Mal länger als die kürzesten Federn der hübschen Hühnervögel. Und weil der Autor noch die naturwissenschaftlichste Passage seines Buches literarisch kurzweilig aufbereitet, schiebt er gleich hinterher, wie man sich das bei einem Menschenmann vorstellen muss, wären dessen Haare ebenso vielgestaltig: Er könnte seinen Schnurrbart zu einem Haarturm auftoupieren, der höher aufragte als die Freiheitsstatue vor New York.
Auf seidenglattem Papier hat der Matthes & Seitz Verlag das Buch gedruckt, in geprägtes Leinen gebunden und mit sanft hellblau hinterlegten Zeichnungen ausgestattet – hellblau wie der Himmel, an dem sie fliegen, die Goldspechte und Paradiesvögel, Rotkardinale und Wanderfalken, die auf den Miniaturen zu sehen sind. Das wirkt gediegen und ein wenig altmodisch, wie ein altes Schul- oder Bestimmungsbuch, das noch auf Fotografien verzichtete, weil naturkundliche Zeichnungen ihr Sujet so viel stärker zu verdichten und zu verfeinern vermögen.
Erstaunliche Pfade der Evolution
Und das Rätsel der Pfauenfedern? Charles Darwin löste es schließlich selbst: Geschlechtliche Attraktivität folgt, fern unmittelbarer Zweckdienlichkeit, ihren eigenen Vererbungsregeln. Die erstaunlichen Pfade der Evolution sorgen sogar dafür, dass der Flaum der Vögel mitunter wieder ganz verschwindet, berichtet Thor Hanson am Ende seines Buches: Darum hat der Geier einen kahlen Kopf – wer warmes Blut trinkt, kann dabei Federn nicht gebrauchen.