Hier können Sie auch Jurymitglied René Aguigah zur Bestenliste hören:
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Freude am literarischen Streit
Die Februar-Liste der zehn besten Sachbücher ist erschienen. Jurymitglied Thorsten Jantschek zeigt sich von der "Weltgeschichte der deutschsprachigen Literatur" auf Platz 1 ebenso fasziniert wie vom literarischen Streit um das Buch.
Auf Platz 1 der besten Sachbücher ist im Februar das Buch von Sandra Richter "Weltgeschichte der deutschsprachigen Literatur" gelandet. Im Deutschlandfunk zeigte sich die Kritikerin Maike Albath in einer ausführlichen Rezension angesichts von Unstimmigkeiten und Fehlern irritiert. Nun ist eine Diskussion entbrannt, ob sachliche Fehler die Qualität des Werks schmälern und ob es auf eine solche Bestenliste gehört.
Fehler im Buch
"Es handelt sich hier um kleinere biographische Details", verteidigte Thorsten Jantschek, Abteilungsleiter Aktuelle Kultur und Politik im Deutschlandfunk Kultur und Mitglied der Jury, das Buch gegen die Vorwürfe. Einige Kleinigkeiten stimmten nicht das sei für Autoren immer peinlich. Er finde es toll, wenn eine Rezension einen solchen Faktencheck leiste und darauf hinweise, dass Details nicht stimmten. Als Beispiel nannte Jantschek einen Fehler im vierseitigen Unterkapitel, dass sich dem Salon der Madame de Staël widme, der großen Vermittlerin der deutschen Literatur in Frankreich.
Sie schreibe dort fälschlicherweise, dass Wilhelm von Humboldt bei ihr Hauslehrer gewesen sei, dabei sei es August Wilhelm von Schlegel gewesen. "Das ist jetzt ein doofer Fehler", sagte Jantschek. Andererseits habe er sich mal den Spaß gemacht, zu überprüfen, wie es dazu kommen konnte. Schlegel sei Hauslehrer bei Humboldt gewesen und dieser habe ihn dann in diesen Salon eingeführt. "Das ist so eine Art von Übertragungsphänomen und da kann man bestimmte Fehler erklären." Eine Literaturgeschichte oder ein historisches Sachbuch sei nun mal so mit Fakten gespickt, dass immer Fehler vorkommen könnten.
Wegweisendes Werk
Jantschek begrüßte den literarischen Streit über das Buch. Er wies darauf hin, dass der Schriftsteller Ilja Trojanow zwar ebenfalls in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Fehler moniert habe, aber vor allem die Perspektivveränderung gewürdigt, die das Buch zu einem großen, wegweisenden Werk mache. "Bücher, die so in den literarischen Kanon oder in die literarische Öffentlichkeit einbrechen, wie dieses Buch, gehören unbedingt auf eine Liste", sagte Jantschek und wies auf den Unterschied zur Rezension hin. "Es ist eine Leseempfehlung zu sagen, mach Dir Dein eigenes Bild."
Er räumte ein, dass ihn das Buch ebenso fasziniert habe wie der literarische Streit darüber. "Beides gehört zusammen, ein literarischer Streit ist eine Beschäftigung mit dem Buch, das verändert die Sicht auf ein Buch." Es lasse sich darüber streiten, ob man eigentlich noch eine lineare Geschichte der Literatur schreiben mit all ihren Verästelungen über andere Kontinente. "Ich finde, dass dieser Streit zur Rezeptionsgeschichte des Buches dazu gehört und wenn der anfängt, gehört so ein Buch auf eine Empfehlungsliste."
Sandra Richter: Eine Weltgeschichte der deutschen Literatur,
C. Bertelsmann, 728 Seiten, 36 Euro
Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikern.