Horst Eckert: Wolfsspinne
Wunderlich, 2016.
Euro 19,95. ISBN 978-3805250993
Marc-Oliver Bischoff: Die Sippe
Grafit, 2016.
Euro 12. ISBN 9783-894254780
Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand
KiWi, 2015.
Euro 14,99. ISBN 978-3462046663
Oliver Bottini: Im weißen Kreis
Dumont, 2015.
Euro 14,99. ISBN 978-3832196998
Neonazistischer Terror als Krimistoff
Vor fünf Jahren wurde die NSU-Mordserie aufgedeckt, aber erst vier Jahre später, im Herbst 2015, erschienen die ersten Krimis zum Thema. Neuere Titel schreiben jetzt das NSU-Thema fort: So wird bei Horst Eckert Beate Zschäpe aus dem Gefängnis befreit.
Die deutschen Spannungsautoren, so scheint es, hat die NSU-Mordserie kalt erwischt: Erst vier Jahre nach der Aufdeckung, im Herbst 2015, erschienen die ersten nennenswerten Politkrimis, die versuchten, den neonazistischen Terror auch literarisch aufzuarbeiten – die Romane "Im weißen Kreis" von Oliver Bottini und "Die schützende Hand" von Wolfgang Schorlau.
Insbesondere letzterer sorgte für großes Aufsehen, weil Schorlau – zum Teil mit investigativen Mitteln – belegen konnte, in welch erschütterndem Ausmaß offensichtlich staatliche Stellen verstrickt sind.
Zu dieser Erkenntnis kommt auch der Düsseldorfer Autor Horst Eckert. In seinem aktuellen Roman "Wolfsspinne" verzahnt er eine "ganz normale" Mordermittlung mit Facetten des rechten Terrors. Eckert fügt das NSU-Thema also in seinen Düsseldorfer Erzählkosmos ein, was erstaunlich nahtlos gelingt.
Das Ergebnis ist in vielerlei Hinsicht spannend, insbesondere auch deshalb, weil Eckert zwar ebenfalls auf Basis von Fakten arbeitet, diese aber mit den Mitteln der Fiktion geschickt anreichert, um Mutmaßungen über "die" Realität der Terrorserie anzustellen. Brisant auch, wie Eckert die NSU-Geschichte in die Zukunft weiter spinnt.
Möglichkeitsraum für Geschichten
Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind fließend, wenn es um den NSU geht – und das bietet für Autoren einen Möglichkeitsraum für Geschichten, der so vor der Aufdeckung der Terrorserie nicht vorhanden war.
Kalt erwischt hat es die deutsche Genreliteratur erstmal wohl auch deshalb, weil man hierzulande weniger Übung und Umgang mit solchen Themen hat wie etwa in der (weniger staatstragenden) US-Spannungsliteratur.
Und die Autoren sind häufig so stark mit der Rekonstruktion der ungeheuerlichen Vorfälle der Realität des NSU beschäftigt, dass ihre Geschichten sprachlich abfallen; überspitzt formuliert könnte man sagen: Den Autoren und Autorinnen hat es fast die Sprache verschlagen.
Fünf Jahre nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt scheint sich das zu ändern, und es entstehen immer mehr Titel, die den Möglichkeitsraum des neonazistischen Terrors auf verschiedene Weise ausloten. Ein Beispiel auch der neue Roman "Die Sippe" von Marc-Oliver Bischoff, der von radikalen "völkische Siedler" und deren Umsturzplänen erzählt.