Wieland Wagner: Japan – Abstieg in Würde. Wie ein alterndes Land um seine Zukunft ringt, DVA 2018, 256 Seiten, 20 Euro.
Abschied von Kaiser Akihito
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Mit der Abdankung des japanischen Kaisers Akihito geht zum ersten Mal seit 212 Jahren ein Tenno in den Ruhestand. Sein Sohn Naruhito besteigt den Chrysanthementhron und übernimmt die Nachfolge. Der Journalist Wieland Wagner lobt den würdigen Wechsel.
Der japanische Kaiser Akihito dankt nach 30 Jahren auf dem Thron ab. Zu Beginn der feierlichen Zeremonie in Tokio kündigte er in einem religiösen Ritual nach dem Shinto-Glauben den Göttern seinen Rücktritt an. Es ist das erste Mal seit rund 200 Jahren, dass ein japanischer Monarch zu Lebzeiten auf das Amt verzichtet. Trotz nasskalten Wetters warteten bereits Stunden vor Beginn der Abdankungszeremonie zahlreiche Schaulustige vor dem kaiserlichen Palast, um die Feierlichkeiten aus der Nähe zu verfolgen. Am 1. Mai wird dann Kronprinz Naruhito den Kaiserthron besteigen und die kaiserlichen Insignien übernehmen.
Mit 85 Jahren sei der Kaiser an die Grenze seiner physischen Belastbarkeit gestoßen, sagte der frühere Asien-Korrespondent des Magazins "Der Spiegel", Wieland Wagner, im Deutschlandfunk Kultur. Akihito hatte seine Abdankung bereits 2016 aus gesundheitlichen Gründen verkündet und das Parlament dafür dann ein Sondergesetz verabschiedet. Er habe auf diese Weise die besondere Bürgernähe des Kaiserhauses erhalten wollen, die er in seiner Amtszeit erreicht habe.
"Er hat es geschafft wie kaum ein anderer führender Japaner, Volksnähe zu schaffen, ohne anbiedernd zu sein", sagte Wagner. Gemeinsam mit seiner Frau, Kaiserin Michiko, habe Akihito stets die Würde des Amtes gewahrt. Diese Bürgernähe sei ihm gelungen, obwohl Japan eigentlich zu Führungspersönlichkeiten ein distanzierteres Verhältnis habe als beispielsweise die Briten zur Queen.
Mit Kronprinz Naruhito kommt ein neuer Kaiser ins Amt, der trotz seiner 59 Jahre in der alternden japanischen Gesellschaft relativ jung erscheine. "Keine Nation altert so schnell wie die Japaner", sagte Wagner. Die Bevölkerung schrumpfe so stark, dass dem Land jedes Jahr etwa die Bevölkerung einer deutschen Großstadt verloren gehe. Der Personalmangel sei deshalb überall spürbar. Viele der Supermärkte, die eigentlich 24 Stunden offen seien, müssten deshalb früher schließen. "Das ist für eine perfektionierte Dienstleistungsgesellschaft, wie Japan, etwas ganz Ungewöhnliches", sagte Wagner. "Überall sieht man alte Menschen, die bis spät in die Nachtstunden hinein noch arbeiten." Das gelte für Paketboten, Taxifahrer oder das Personal an der Hotelrezeption. Die rigide japanische Arbeitskultur erschwere es, Beruf und Familie zu vereinbaren.
(gem)